حزب مشروطه ايران

 The Constitutionalist Party of Iran (CPI)
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Eine Partei für heute und die Zukunft des Irans


Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG

Konstitution und Konstitutionalismus

ERSTES KAPITEL: DAS NATIONALE BEWUSSTSEIN

A) Die Außenpolitik

B) Kulturpolitik

ZWEITES KAPITEL: FREIHEIT

DRITTES KAPITEL: FORTSCHRITT UND ENTWICKLUNG

A) Wirtschaft

B) Zivilgesellschaft

C) Ausbildung

VIERTES KAPITEL: SOZIALE GERECHTIGKEIT

FÜNFTES KAPITEL: POLITISCHE UND STRATEGISCHE MAßNAHMEN

SECHSTES KAPITEL: EINE UNTERSCHIEDLICHE ANSCHAUUNG

SIEBTES KAPITEL: PARTEI DER MITTE RECHTS

Einleitung

Konstitution und Konstitutionalismus

Seit der offiziellen Gründung der Costitutionellen Partei Irans (CPI) im Jahre 1994/1373, früher bekannt als Die Organisation Iranischer Konstitutionalisten, bildet die Frage nach der Beschaffenheit, nach der Satzung und nach dem politischen Programm der Partei, auf die folglich im Hinblick auf die konzeptionellen und pro-grammatischen Fortschritte der vergangenen Jahre eingegangen wird, das zentrale Blickfeld der Diskussionen. Nach einem kurzen Überblick über die Geschichte des Konstitutionalismus im Iran gewinnen dann das politische Konzept und die Strategie des Neu-Konstitutionalismus an Bedeutung.

Innerhalb dieses Konzepts kommen Theorien und Vorschläge zur Praxis zusammen, denn wir sind der Meinung, dass die Aufgabe einer politischen Partei u. a. auch darin besteht, Antworten auf die Fragen zu finden, welche sich aus den Diskussionen über politische Strategien und Stellungnahmen ergeben. Solche Antworten müssen auf dem Gedankengut der Partei basieren. Parolen und zeitbedingte Ideologien können uns heute kaum helfen; die Zeit der Ideologien ist vorüber, die die ganze Welt nur in ihrem eigenen Sinne zu vereinigen glaubten. So steht in meiner Konzeption eine praktische und unreligiöse Strategie in der Politik und in der Wirtschaft stets im Vordergrund. Eine erfolgreiche Zukunft erwartet uns nur dann, wenn Realismus und Toleranz im unserem Vorhaben nachdrücklich betont werden. Es ist nicht unsere Absicht, für jedes Problem eine Lösung und für jedes Vorhaben ein Programm zu bieten; aber wir sind darum be-müht, uns auf unsere Erfahrungen und auf die der anderen zu stützen und das politische Programm für die Zukunft Irans vorzustellen.

***

Die Begriffe Konstitution und Konstitutionalismus (pers. mashruteh) sind in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter dem osmanischen Einfluss im Wortschatz der persi-schen Sprache aufgenommen worden. Die Türken leiteten aus dem französischen Chartre und der lateinischen Cartula oder Carta, die anfänglich für Gesetzestafel stand, den Begriff mashruteh, der zugleich die Bezeichnung für das Gesetz und das Grundge-setz war; dadurch konnte der königliche Einfluss auf das politische Geschehen eingeschränkt werden. Magna Carta, das erste konstitutionelle Gesetz, das die Macht des Königs einschränkte und zu Beginn des 13. Jahrhunderts vom König von England an den Lord weitergegeben wurde, ist das größte Epigraph.

Die Konstitution im heutigen Verständnis und Gebrauch lässt sich auf zwei Grundlagen zurückführen: auf die amerikanische Grundlage und somit auf den Sieg der amerikani-schen Revolution, und auf die britische. In Großbritannien nehmen das Zivilrecht und die vorhandenen Gesetzgebung (Parlament) die Funktion auf, die in anderen Ländern durch die Verfassung geregelt ist.

Im Iran wurde dieser Begriff durch die damaligen Intellektuellen im Zusammenhang mit costitutional government als hokumat-e mashruteh (gesetzliches Gouvernement versus despotische Monarchie) präzisiert, und beschreibt seitdem ein Staatssystem, des-sen Existenz auf einer demokratischen Verfassung beruht, und somit den Gegensatz zum Despotismus und zur absoluten Herrschaft des Diktators darstellt. Mit anderen Worten leitet hokumat-e mashruteh seine Legitimität vom volksverbunden Willen ab und grenzt sich somit von einer despotischen Monarchie ab.

In der Literatur des Konstitutionalismus werden der persische Begriff mashruteh und die lateinische Bezeichnung Konstitution gleichwertig verwendet. In einem solchen Re-gierungssystem ist die Form des Staats - Monarchie oder Republik - nicht von Rele-vanz; beide sind dem Parlament und somit dem Gesetz unterstellt, das ihre Existenz legitimiert.

Die erste Generation, die als Vorgänger der Konstitutionellen Bewegung in die irani-sche Geschichte eingegangen ist, kannte bereits das Gedankengut der westlichen Intel-lektuellen und wollte demnach die sozialen und politischen Umstände im Iran revoluti-onieren. Um zu diesem Zweck zu gelangen, sah der intellektuelle Kreis die einzige Möglichkeit im Einschränken der höfischen Macht. Der Iran war damals innerlich ein zerrissenes Land, das seine Einheit quasi nur auf der Landkarte repräsentieren konnte; ohne Armee, ohne ein Finanzsystem, ohne pädagogische und schulische Infrastruktur und ohne akademische Organisationen. Diese waren Organisationen, die sich innerhalb der damaligen modernen Welt behaupten konnten. Die Agrarwirtschaft war nach wie vor von ländlichen Produktionen abhängig. Das Gesundheitssystem ließ noch vieles zu wünschen übrig. Unter solchen Umständen war die Rolle der Mittelschicht innerhalb der fortschrittlichen Bewegung auf dem Wege zur Moderne in der iranischen Gesell-schaft von großer Bedeutung.

Das Konzept der Intellektuellen, die sich als Konstitutionelle vorstellten, ging über die bloße Form der Regierung hinaus. Diese setzten mit Recht die Priorität zunächst im politischen Wesen Irans. Die Reform des Herrschaftssystems wurde als erster Schritt verstanden, durch den ein politisches Konzept zur Einheit und Unabhängigkeit Irans geschaffen werden konnte. So konnte der Iran sich parallel zu den modernen westlichen Ländern entwickeln. Daher markiert die Konstitutionelle Bewegung nicht nur den Ver-such über die Errichtung eines demokratischen Systems, sondern auch den Anfang des Modernitätsprozesses im Iran.

Für die Konstitutionellen standen Begriffe wie Demokratie, Moderne und die Herrschaft des Volkes in einer unmittelbaren Abhängigkeit voneinander. Sie betrachteten die De-mokratie und das Allgemeinrecht des Bürgers neben dem Patriotismus, Nationalismus und den Entwicklungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Rechtssystem als Charakteristi-ka einer modernen Gesellschaft, die dem Wunsch nach Modernität zum erstenmal in ihrer Geschichte nachzugehen versuchte.

Alles, was wir heute unter der Berücksichtigung unserer begrenzten Möglichkeiten als modern bezeichnen, geht auf die Ära der konstitutionellen Regierungsform zurück. Po-litische Parteien, Schule und Theater auf soziokultureller Ebene, Roman auf der literari-schen Ebene, aber auch Eisenbahn und Industrie im Wirtschaftsbereich, Krankenhäuser, Gleichstellung von religiösen Minderheiten sowie Gleichberechtigung von Mann und Frau und Abschaffung von provinziellen Kleinmächten im sozialen Bereich haben ihre Wurzel im Iran in der Konstitutionellen Bewegung, obschon die Reformpläne, welche den Aufbau solcher Systeme beinhalteten, zu jener Zeit nicht vollständig angeführt wer-den konnten. So blieb das konstitutionelle Konzept damals nur eine Theorie; dennoch kann man von der potentiellen Energie einer Gesellschaft sprechen, die sich zum Positi-ven entwickeln wollte. Obwohl die iranische Gesellschaft heute einen Rückschlag erlei-det, der ihr noch schlimmere Umstände verschaffen hat als vor 1906, kann das Konzept der Konstitutionalisten immer noch als der Wendepunkt betrachtet werden, an dem man noch heute ansetzen kann, um eine Gesellschaft zur Modernität zu bewegen.

Auch heute betrachten wir die Modernität, ihre Bedeutung und Funktion hinsichtlich der Entwicklungen in den westlichen Ländern als zentrales Problem. Es bestehen noch Konflikte in Dezentralisierung der Macht, in der Rolle der Gesellschaft und im theokra-tischen System; in Nationalismus und Separatismus einerseits und in Globalisation an-dererseits, im wirtschaftlichen Aufstieg und in der Dominanz des Bazars, in der sozialen Entwicklung und in der geschlechts- und religionsspezifischen Ungerechtigkeit (Schiismus gegen Nachfolger anderer religiösen Überzeugungen) und letztlich auch in der Frage nach sozialer Gerechtigkeit. Hinzu kommt die zunehmende Kluft in gesell-schaftlichen Schichten. Unsere Gesellschaft ist heute in Anbetracht der obigen Tatsa-chen mehr als denn je dazu bereit, sich mit der Frage nach der Modernität, der nationa-len Einheit und der Rolle des Konstitutionalismus auseinanderzusetzen.

Wir betrachten den Konstitutionalismus als ein gesellschaftlich und politisch bevorzug-tes Konzept. 1941 (1320) haben viele Autoren die Konstitutionelle Bewegung (Konsti-tution: pers. Mashrooteh) hinsichtlich ihrer politischen Entwicklung in drei Abschnitten gegliedert:

1. Der Erste Mashrooteh: 1906-1907 (1285-1286) - dem Jahre des Bombarde-ments des Parlaments

2. Der Zweite Mashrooteh: 1909-1921 (1288-1299) - dem Jahre des Putsches am 3. Esfand

3. Der Dritte Mashrooteh: 1941-1953 (1320-1333) - dem Jahre von Mossadeghs Sturz.

Vertreter dieser Meinung summieren die Geschichte des Konstitutionalismus nur unter dem parlamentarischen Aspekt. Nach ihrer Auffassung erkläre sich die Existenz von Mashrooteh nur im Bestehen des Parlaments. Die Reduzierung des Prozesses auf dem Wege der Modernität auf nur einen Bestandteil des Mashrooteh stimmt in einer solchen Auffassung mit den tatsächlichen Zielen der Konstitutionellen Bewegung und der Au-tonomie des Parlaments in den wenigen Jahren seines Bestehens nicht überein.

In Wirklichkeit aber umfasst die Entwicklung des iranischen Konstitutionalismus ein zeitliches Spektrum von den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bis zum siebten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, was als Ära der Konstitutionellen Bewegung bezeichnet werden kann. In dieser Zeitspanne trat auch der Diskurs über Modernität und Moderni-sierung im Iran hervor und entgleiste eine jahrtausendelang traditionell geführte Gesell-schaft von ihrer Entwicklungsbahn. In dieser Tradition wird die islamische Theokratie auch als eines der vielen Fehlkonzepte bewertet, das in machen fundamentalen Punkten sogar als Teil der Konstitutionellen Bewegung fungierte.

Das Parlament war der größte Erfolg der Konstitutionellen Bewegung. In der Zeitspan-ne seines Bestehens gelang ihm jedoch nur der Widerstand gegen fremde und imperia-listische Mächte; gerade darin bestand auch seine Macht. Nach der zweiten Periode und nach der Revision des Wahlgesetzes wurden die Wahlen in den kleineren Städten von den Feudalmächten kontrolliert. So konnte das Parlament nicht mehr als repräsentative Mehrheit der Bevölkerung gelten. Der Einfluss der feudalen Macht auf das Parlament beeinträchtigte dessen Autorität und politische Wirkung. Ferner war der Iran in der Zeit vor Reza Schah I. ein Land, das nicht nur unter dem feudalen System stand, sondern auch unter der Besatzung von ausländischen Mächten, welche das Zoll- und Bankwesen für sich in Anspruch nahmen.

Während der ersten 15 Jahre des Mashroteh kann man von einem funktionellen Parla-ment nicht sprechen. Die Dauer von den Kabinetten beschränkte sich höchstens auf 2 Monate und 23 Tage. Auch in den Jahren nach dem August (Sharivar) 1920 konnte das Parlament keine gute Bilanz ziehen. Die Ministerrate waren meistens von kurzer Dauer. Die meisten Kandidaten waren korrupt und um ihren eigenen Profit besorgt und nicht um das Wohl des Volkes. Sogar Mohammad Mossadegh, der das Parlament unter seine eigene Kontrolle brachte und Reza Schah auf härteste Weise kritisierte, behauptete einst, das Parlament sei das Haus der Korrupten. Er nahm Partei gegen das Parlament und ging sogar bis zur Auflösung des Parlaments vor, das unter ihm selbst gewählt wor-den war.

* * *

Um die Demokratie in einem Land funktionsfähig zu machen, bedarf das Land zunächst eines Rechtssystems, das Sicherheit und Ordnung gewährleisten kann. Diese Sicherheit erfolgt durch ein stabiles Rechtssystem und durch eine unabhängige Justiz sowie durch ein gewisses Niveau an ökonomischer und sozialer Entwicklung. In der Dritten Welt konnte die Zivilgesellschaft nur in den Ländern Erfolge erzielen, in welchen ein souve-räner und zentraler Staat regierte. Sogar einige der ehemaligen Kolonien - besonders die des Britischen Imperiums - hatten in der gleichen Epoche bessere Chancen als der Iran. Indien zum Beispiel: Es ist viel über die demokratischen Prozesse in Indien berich-tet worden. Indien besaß zum Zeitpunkt seiner Unabhängigkeitserklärung ein beach-tenswertes Bildungs- und Verwaltungssystem. Die indische Justiz repräsentierte ein vorbildliches System, von dem alle anderen Länder der Dritten Welt nur hätten träumen können. Dies war weit entfernt von dem herrschenden System im Iran nach der Jahr-hundertwende, in dem die Nation einem beliebigen und von der Dominanz der Mullahs geführten System unterworfen waren.

Die Konstitutionalisten haben bereits zu Beginn die Problematik der Errichtung einer zivilen Gesellschaft im Iran geahnt und suchten deshalb nach Lösungen. Reza Schah I. kam mit der Zustimmung der Mehrheit und trotz der Prozesse einer kleinen Minderheit an die Macht. In der Tat nahm er unmittelbar an der Realisierung der konstitutionellen Pläne teil. Die zukunftsorientierten Konzepte der Konstitutionalisten und die Vorschlä-ge über parlamentarische Pläne, die zu jener Zeit mehr oder minder nur in den Büchern und Artikeln beschrieben worden waren, bildeten die Grundlage von Reza Schahs Plä-nen für die nächsten 20 Jahre. Die zentrale Frage stelle sich damals nach der Priorität der Konzepte und Pläne. Die eine Möglichkeit bestand in der Gründung eines einheitli-chen, zentralen und souveränen iranischen Staates, der seine Zukunft im sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg sah, und die andere - ohne Rücksichtnahme auf wirtschaftli-che und kulturelle Stagnation - im Versuch zur Errichtung eines demokratischen Staa-tes, der nur für eine kleine Schicht der Gesellschaft, nämlich die Intellektuellen, be-stimmt war, welche sich nur in der Hauptstadt versammelten und sich im Parlament und in der Presse behaupten konnten. Nach dem dritten Esfand 1921 (1299) war ein großer Teil der politisch Intellektuellen und Journalisten sogar von der Gründung eines souve-ränen Staats überzeugt. Mit anderen Worten: Die Konstitutionelle Bewegung selbst konnte ihren Sieg bereits feiern, weil die Gesellschaft sich auf dem Wege der Moderni-tät befand; die konstitutionelle Regierung jedoch stand als Verlierer da, denn sie konnte ihre Ideale nicht verwirklichen. Auch Reza Schah I. konnte seine Pläne im großen und ganzen nicht realisieren. Denn einerseits stand ihm nicht genug Mittel zur Verfügung und andererseits stützte er sich immer mehr auf die Gewaltausübung gegenüber einer Bevölkerung, die sich nach langer Zeit der Unterdrückung der Realisierung ihres Wun-sches in einer zivilisierten Gesellschaft nahe fühlte und an ihrem eigenen Schicksal teil-haben wollte. In der Geschichte Irans besteht Reza Schahs Verdienst darin, dass er das Land vor einer sicheren Zerlegung rettete. Seine Regierung konnte durch die Errichtung eines stabilen Verwaltungssystems und einer starken Armee aus einem Land, das kurz vor dem Abbruch und der Zerlegung stand, eine Einheit mit Kommunikations-, Bil-dungs- und Wirtschaftswesen machen; dieses Land war imstande, einen zivilen Staat zu sichern, der zugleich das Abbild einer modernen Gesellschaft abgeben konnte. Ein her-ausragendes und gesellschaftliches Merkmal war die errungene Freiheit für Frauen. Den Plänen von Reza Schah folgten die seines Sohnes Mohammad-Reza Pahlavi, der nicht nur eine politisch-wirtschaftliche Reform des Landes, sondern auch die Bildungsreform in die Wege leitete, die zu einer der größten Reformen im Iran zählt. Dabei ist zu be-merken, dass solche Reformen die Macht und den Einfluss der Mullahs beeinträchtig-ten. Tatsache ist es, dass die iranische Nation den Weg zur Modernität bereist einge-schlagen hat, so dass das heutige Mullah-Regime die Gesellschaft von ihren zu Schahs Zeiten verankerten Werten nicht mehr abbringen kann.

Die meisten Jahre der insgesamt 37jährigen Regierungszeit des Mohammad-Reza Schah waren der Überwindung von Krisen gewidmet. Daher konnte sich auch keine günstige Gelegenheit zur Durchsetzung von den Plänen der Konstitutionalisten anbieten. Erst in seinen letzten 15 Jahren haben die Konzepte und Pläne der Konstitutionalisten abermals an Aufmerksamkeit gewonnen; sie konnten teilweise verwirklicht werden und teilweise in der Praxis ihre Mängel zeigen.

Noch einmal wurde die Staatsgewalt in Teheran und in Schahs Person zentralisiert. Es wurde ein zentraler Plan für den sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg vorgelegt und durchgeführt, die den Iran zum ersten mal in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrtau-sends zu einem plötzlichen und kraftvollen Aufstieg (take off) führte. Aber die Zentrali-sierung der Staatsmacht und der Staatsgewalt an einem Ort und in einer Person schränk-te die Ideen, Perspektive und Möglichkeiten der allgemeinen Entwicklungen ziemlich stark ein. Die Folge war Korruption in Wirtschaft und Politik. Ferner wurden die Priori-täten an falschen Stellen gesetzt. Dies führte zur Schwächung der Gesellschaft und der Politik, die letztlich in die Islamische Revolution von 1979 mündete.

Konzentration des gesamten Entscheidungsprozesses in einer einzelnen Person, mit all seinen Fehlern, die u. a. auch das Wesen eines normalen Menschen ausmachen, führte zu fehlerhaftem Urteil und Nepotismus in den öffentlichen Angelegenheiten; so weit dass nur eine kleine Gruppe in Schahs Umgebung ihre Macht und ihren Einfluss auf politisch verbündete Kapitalisten ausübte. Eine Person, wie den Schah, der tagtäglich vielerlei Entscheidungen zu treffen hat, kann man einfacher beeinflussen; und dies ha-ben sich solche kleine Gruppen vorgenommen. Die Akzentsetzung auf eine quantitative Entwicklung, die nur die Statistik hochtreiben sollte, vernachlässigte einen gründlichen und tiefgreifenden Aufschwung innerhalb der Gesellschaft. Eine wirtschaftliche, soziale und vor allem politische Wende in jenen Jahren schien noch weit entfernt zu sein.

Eine der wichtigsten Leistungen der Pahlavi-Monarchen in den Entwicklungsjahren war die Unterstützung einer dynamischen mittleren Schicht, die sich zum erstenmal im Iran behaupten konnte. Die Entwicklung eines demokratischen und industriellen Gesell-schaft ohne die Mittelschicht ist nicht möglich. Unter Mohammad Reza Schah erreichte die iranische Mittelschicht ein großes Ansehen, so dass sie Hand in Hand eines Refor-misten wie Mohammad Reza Schah den Prozess der Entwicklungen im Iran vorantrei-ben konnte. Diese Mittelschicht wurde jedoch durch unterschiedliche politische Hinder-nisse blockiert. Die Entwicklungen von den 40er bis 60er Jahren des 20. Jahrhunderts gaben der iranischen Gesellschaft das nötige Selbstbewusstsein, so dass sie sich nicht vorwerfen ließ, sie könne nicht über sich selbst regieren und ihr Schicksal liege in den Händen von Göttern und Führern.

Mitten in allen diesen großen Ausführungen und Fehlern bereitet die islamische Ent-wicklung, die ein hindernder Faktor aller kulturellen, sozialen und politischen Mängel und Misserfolge in Irans Aufstieg und Entwicklung auf dem Weg der Modernisierung war, der konstitutionellen Ära ein Ende. Jedoch war das, was die Iraner bis dahin an Modernität und wirtschaftlichen Entwicklungen in ihrer Geschichte erlebt haben, nicht mehr zu tilgen.

Die Wiederbelebung des iranischen Patriotismus und der iranischen Geschichte und die Suche nach der iranischen Identität innerhalb einer 3000jährigen Geschichte, die in der Bezeichnung Iran vereint wird, ist eine der Eigenschaften des Modernisierungsprozes-ses im Iran. Die Aufhebung von Feudalismus, die Emanzipation von Frauen, die Selb-ständigkeit von Landwirten und das Hervortreten der Mittelschicht waren die Ziele, die im Modernisierungsprozess erreicht wurden. Einen so hohen Lebensstandard wie zu Schahs Zeiten haben die Iraner nie erlebt und werden auch in den Jahren der islami-schen Herrschaft nicht mehr erleben können. Die iranische Gesellschaft erreichte da-mals alle Mittel für ein modernes Leben, und der Iran selbst gewann seinen Platz in der internationalen Gemeinschaft. Das, was der Iran durch die Konstitutionellen, mit allen Fehlern und Unerfahrenheit, gewann, hat sich als hervorragendes Charakteristikum ei-ner modernen Gesellschaft gezeigt.

Trotz allem verlangte die Konstitutionelle Bewegung nach ihrem unleugbaren Ausfall in ihrer Phase bis zur Islamischen Revolution eine vollständige Aufwertung in der The-orie und Praxis. Diese Aufwertung begann nach der Islamischen Revolution und legte im Namen des Neuen Konstitutionalismus den Grundstein der Konstitutionellen Partei Irans.

Der Neue Konstitutionalismus bezieht sich auf die Inhalte und Ziele der Konstitutionel-len Bewegung, also zunächst die Modernität, die jahrzehntelang in den Hintergrund getreten war. Der Konstitutionalismus hatte eine wesentlich tiefgreifendere Bedeutung als die, die man ihm vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg beigemessen hat. Die Be-deutung und Wirkung des Konstitutionalismus wurde vor allem durch die Opposition auf eine Form der despotischen Regierung beschränkt. Dies war einer der hauptsächli-chen Misserfolge der Pahlavi-Monarchie, die selbst als Sekundärteil der Konstitutionel-len Bewegung hervorgetreten war. Sie ignorierte immer mehr die Dynamik und die po-tentielle Bereitschaft der Gesellschaft zur Modernität.

* * *

Wie es gezeigt wurde, bildeten das nationale Bewusstsein, Freiheit, Fortschritt und so-ziale Gerechtigkeit das Projekt des Konstitutionalismus. Modernität und Modernisie-rung der Gesellschaft spielte sich am Anfang des 20. Jahrhunderts in allen erwähnten Bereiche wider. Dies inspirierte im Ganzen die Neuen Konstitutionalisten, so dass sie das am Anfang des 20 Jahrhunderts noch unvollständig gebliebene Konzept zu einem komplexen Projekt des ausgehenden 20. Jahrhunderts machten.

Erstes Kapitel

Das nationale Bewusstsein

Das nationale Bewusstsein war der wichtigste Faktor und zugleich der hauptsächliche Grund der Konstitutionellen Bewegung, die zu einem Zeitpunkt hervortrat, als das Land vor einer Zerlegungsgefahr durch die imperialistischen und mächtigen Länder stand. Die Konstitutionellen betrachteten Patriotismus und das nationale Bewusstsein als ihren Ansatzpunkt, um Irans Befreiung von der Unterdrückung und von der Einflussnahme fremder Mächte zu bezwecken. Dadurch sollte eine Einheit im Land, das der Gefahr der Teilung ausgesetzt war, zustande kommen. Die Demokratie, der wirtschaftliche und soziale Aufstieg - später von Historikern als "Freiheit" und "Fortschritt" bezeichnet - waren die Mittel, welche zu einem höheren Ziel der Unabhängigkeit und der Einheit Irans führen sollten. Das nationale Bewusstsein ist die einzige Erklärung für die nahezu überraschende Teilnahme und Wirkung der Geistlichkeit in der Konstitutionelle Bewe-gung - zumindest in ihren Anfangsphasen. Die Kleriker waren während der Kadscha-renzeit die einzig bestimmende Macht, die mit dem Hof Hand in Hand das Schicksal der Bevölkerung bestimmten. Sie hatten weder persönliche noch parteiische Gründe für die Teilnahme an einer Bewegung, die in ihrer Wirkung zur Machteinschränkung des Hofes und des Königs führte. Den Konstitutionellen gelang es, die Kleriker mit der Akzentset-zung auf Nationalismus und auf Befreiung des islamischen Volkes von der Unterdrü-ckung der christlichen Staaten auf ihrer Seite zu gewinnen.

Die nationale Wahrnehmung der Iraner in der Konstitutionellen Bewegung bedeutete nicht, das iranische Volk als etwas Besseres darzustellen; sie sahen in der Stärkung des nationalen Bewusstseins die erste Priorität. Noch heute wird Nationalismus im Sinne des Patriotismus verstanden. Iran ist all das, was wir haben. Dies ist die Verkörperung von Kämpen, Opfern und außergewöhnlichen Leistungen von hundert iranischen Gene-rationen, ohne die der Iran selbst nur ein historischer Name bleibt. Der Iran ist nicht das kostbarste Land und die Iraner sind nicht die beste Nation auf der Erde; aber die hervor-ragende Leistung in der Bewahrung von mehr als 3000 Jahren Kultur eines von zwei Seen umgebenden Landes mit einer großen Zahl an Einwohnern auf dem Wege seiner Geschichte lässt der iranischen Nation ihren Stolz. Welche Aufgabe ist höher und der Natur des Lebens näher als der Erhalt dieses Landes und dessen Bevölkerung, die bisher in der Geschichte ihres Bestehens mehr Leid erlebte als Glück.

Die Konstitutionellen verstehen unter Nationalismus weder Expansionspolitik noch Fa-schismus; wir definieren ihn hinsichtlich der iranischen Geschichte als wichtigsten Fak-tor, der die Nation zusammenhält und durch seinen demokratischen Ursprung für de-mokratisch-zivile Werte stimmt. Trotz begrifflicher Verschiedenheit von "Nationalis-mus" und "Demokratie" darf der zwischen ihnen bestehenden Zusammenhang nicht in den Hintergrund treten. Nicht jeder Nationalist ist zugleich auch Demokrat, und auch umgekehrt: manche sehen die demokratische Grundordnung im Widerspruch zu Ent-wicklung und Verteidigung. Der Nationalismus ist eine Erscheinung in Europa des 17. Jahrhunderts gewesen, der sich sowohl in einer demokratischen als auch in einer unde-mokratischen Tradition entwickelt hat; und wir haben Zeiten erlebt, in welchen der un-demokratische Nationalismus die obere Hand gewann, so dass er zuerst in Westeuropa den Ersten und Zweiten Weltkrieg und den Holocaust verursachte, und sich dann in der Gegenwart als der größte Feind der Nationen im Osteuropa herausstellte. Trotz allem ist uns die demokratische Tradition als maßgebende System erhalten geblieben.

Selbst in unserem Land konnte der undemokratische Nationalismus seine Ziele nicht erreichen. Wenn nur eine einzige Person über die Nation und dann sogar anstelle der Nation regiert, entsteht unter günstigen Umständen keine nationale Einheit; unter un-günstigen Umständen führt es zum sozialen Zusammenbruch und Korruption. Sogar die radikalsten Nationalisten können die Rolle der Nation in ihrer Geschichte und Kultur, d. h. in ihrem kulturellen Erbe, verleugnen. Es steht zwar außer Frage, dass die Nation mehr bedeutet, als die Summe der Menschen, die sie bilden; aber kann die Nation ihre Bestandteile einfach ignorieren? Kann man die Menschen einer Nation in ihrer realen Existenz gegenüber einer Regierung vernachlässigen und ihnen nur das Recht erteilen, sich auf dem Wege zu opfern, der ihnen durch einen einzigen Führer vorgegeben ist?

Die Politiker und die Propagandisten neigen dazu, immer die besten Ereignisse in der Geschichte hervorzuheben und zu verallgemeinern. Aber gerade eine solche narrative Art der Begegnung mit den historischen Momenten beeinträchtigt den historisch gefor-derten weiten Blick und beeinflusst die Menschen negativ. Die gefährlichste Form einer solchen Einflußnahme erleben wir bei den Islamisten und Fundamentalisten, die in einer 1400jährigen Geschichte des Islam nur eine kleine Periode auswählen, die aus den ers-ten beiden Generationen besteht, und sie als "realisierbare Utopie", als "glorreiche Ver-gangenheit" beobachten, die zurückkehren kann. Die Länder wie der Iran, die Türkei, Algerien, Afghanistan und Pakistan sind nur einige Beispiele. Erweitert man aber das historische Blickfeld, wie es ihm zusteht, so wird man feststellen, dass Ideologien stets gegenüber der Demokratie im allgemeinen keine Möglichkeit zu weiteren Entwicklun-gen gewinnen konnten. (Übrigens war das anfängliche Zeitalter des Islam nach dem Propheten gar nicht so glorreich. Von den vier Kalifen sind drei von ihnen - außer Abu-Bakr - durch die Moslimen getötet worden. Krieg und Korruption lagen bei den zwei letzteren Kalifen an der Tagesordnung. Das sogenannte "glorreiche Zeitalter" erfolgte nur durch Kriege und Plünderungen.)

Die Demokratie im Sinne einer Mitwirkung und Teilnahme des Volkes am Regieren zeigte sich im Laufe der Jahre als die beste Form gegen die Diktatur. Heute erleben wir eine weltweite Überlegenheit der Demokratie den anderen Regierungsformen gegen-über, in denen die Menschen unter einem abstrakten Kollektivum (Nation, Klasse, Umma, Masse) oder unter einem transzendentalen Recht - personifiziert durch Imam, Führer, König, Leiter - aufgefasst werden. Diejenigen Gesellschaften, in welchen die Menschen - sei gebildet oder nicht gebildet, informiert oder uniformiert - über ihr eige-nes Schicksal bestimmen können, genießen mehr Stabilität und Stärke und können ihres Bestehens besser gerecht werden. Ein griechischer Philosoph behauptete einst, die Men-schen seien zwar keine guten Richter, sie wählten aber die besten Richter.

Die Väter der Konstitutionellen Bewegung hatten die Ideen der europäischen Intellektu-ellen nachgeahmt, bevor diese von Faschismus, Leninismus und Marxismus geprägt wurden. Theoretisch konnten sie die religiöse Tradition und den Fundamentalismus für die nächsten 50 Jahre schwächen. Wir als ihre Nachkommen in der vierten Generation haben ihre guten und schlechten Erfahrungen als Erbe gewonnen und sind heute im-stande, mit starkem Willen und mit weitem Blick den Weg zur Humanität und Aufklä-rung einzuschlagen.

Nationalismus, wie wir ihn verstehen, beeinflusst das politische Programm so wie die Außen- und Kulturpolitik der Partei.

A) Die Außenpolitik

Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Interdependenz. Die gegenseitige Einfluss-nahme von Ideen und Modellen untermauern die gegenseitige Abhängigkeit. Dieses Phänomen - "Globalisation" oder "Globalismus" genannt - vertritt das Interesse derje-nigen Kulturen und Zivilisationen, die bereits ein stärkeres Fundament haben. In dieser Entwicklung kann man eine dreifache Unterscheidung treffen: entweder folgen die Län-der diesem Prozess mit voller Kraft, wie Nordamerika, Europa, Japan, Südkorea, New Zeland, oder sie passen sich nur eingeschränkt an, wie China, Indien, mache asiatische und lateinamerikanische Länder. Die dritte Klasse bilden die Länder, die sich von die-sem Prozess distanzieren und sich zugleich von dem Rest der Welt isolieren. Darunter charakterisieren sich die islamischen Ländern besonders dadurch, dass sie sich nicht nur isolieren, sondern sie kämpfen auch massiv gegen die Globalisation und deren Werte; ihr Schutzschild, der Islam, dient ihnen als Verteidigungsmittel.

Die Globalisation ist eine vollendete und moderne Form des Modernitätsprozesses, der vor etwa 600 Jahren begann, gegen den die islamische Welt seit 300 Jahren vergeblich kämpft. Der Islam gegenüber der Modernität oder anstelle der Modernität hat sich als nutzlose und rückwärts gerichtete Strategie gezeigt. Die konservativen Islamisten ver-langsamen den Modernitätsprozess zum Nachteil der Bevölkerungen. (Das Paradebei-spiel ist Saudi Arabien und noch schlimmer Afghanistan.) Die islamischen Fundamenta-listen, die im Iran, Algerien und in der Türkei den Islam als revolutionäres Mittel ge-genüber der Modernität instrumentalisieren, haben dadurch einen politisierten Islam hervorgebracht, ungeachtet dessen, dass keine Kultur sich wirklich von der Modernität abkapseln kann. Isolation und Abkapslung werden aber kaum nützen. Die Globalisation ist ein natürlicher Prozess der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen - welt-weit. Dies abzustreichen, ist weder möglich noch vorteilhaft. Sich diesen Prozess anzu-schließen, betrachten wir für den Iran als umso vorteilhafter. Wenn wir uns nun wie vor 200 Jahren von solchen weltweiten Entwicklungen distanzieren, werden wir und politi-sche isolieren, und dies zu unserem Nachteil. Auf dem Wege zur Modernität standen wir vor zwei Jahrhunderten vor ähnlichen Fragen. Damals verhinderten die Konservati-ven die Modernisierung der Gesellschaft mit der Behauptung, sie sei gegen unsere ira-nisch-islamische Identität. Diese sogenannte iranisch-islamische Identität war jedoch das Instrument, das religiöse Fundamentalisten zur Legitimation ihres Herrschaftssys-tems ausnutzen. (Wir haben nur eine Identität und sie ist die iranische.) Auch nach der Islamischen Revolution ist unsere Identität nach wie vor iranisch geblieben. Durch die Zustimmung zur Globalisierung und durch die Teilnahme am Globalisierungsprozess werden wir unsere Identität keineswegs verlieren. Wir sollten ihm bewusst folgen und ihn auch unter Kontrolle bringen. So wollen wir dem immer größer werdenden Kreise der Gewinner angehören.

Die Konstitutionellen wollen ohnehin mit dem Prozess der Weltkultur und der Welt-wirtschaft Schritt halten, den Iran in diesem Prozess stärken und die iranische Identität bewahren. Es ist eine Zeitvergeudung denjenigen zu folgen, die Kapitalismus und Weltwirtschaft beschimpfen. Sie sind außerhalb der Dialoggrenzen geblieben, gehören aber dennoch zu den kleinen Konsumenten dieser Wirtschaft; ohne die Wirtschaft sind sie selbst nicht existenzfähig. Wir wollen nicht gegen den Wasserstrom, sondern mit ihm schwimmen. Wir können nicht einfach die Firmen ignorieren, an welchen verschie-dene Nationen durch ihre Investitionen teilhaben, wenn wir selber an einer solchen Entwicklung beteiligt sein wollen. Dadurch können sich Investitionen und Renditen vergrößern; vorausgesetzt: sie sind im Interesse des nationalen Aufstiegs. Wir müssen den Iran durch kompetente Führungskräfte auf mehr Bereitschaft für Investitionen und modernere Technologie vorbereiten, erst dann können wir uns auf der Weltszene be-haupten.

* * *

Auch die nationalen Interessen Irans müssen auf der Ebene der Außenpolitik berück-sichtigt werden. Das nationale Interesse wird unterschiedlich ausgelegt: Manche können sogar im Namen des nationalen Interesses andere Länder militärisch angreifen. Der Iran liegt in Vorderasien zwischen Ländern, welche seit Jahren durch kulturelles und politi-sches Chaos die Stabilität der Region gefährden: die Türkei und der Irak befinden sich in einer nationalen Krise, und der Irak wird für lange Zeit eine ernsthafte Bedrohung für die Welt bleiben. Afghanistan stellt eine katastrophale Lage dar. Die Republik Azerbai-jan befindet sich in absoluter Machtposition von den Überresten der kommunistischen Mafia und ist jederzeit von einem Zusammenbruch bedroht. Pakistan steht unter islami-schem Fundamentalismus und ist einer ständigen politischen Krise ausgeliefert. Neben Afghanistan kann Pakistan jeden Moment Tausende von Menschen in den Iran schi-cken, der gegebenenfalls sich auf dem Weg zum wirtschaftlichen Aufstieg befindet. Die Situation im Persischen Golf, in einem Iranisch See, ist Amerika seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts infolge der politischen Unklugheit und Aggression der Islamischen Republik und des Iraks mit Kriegsschiffen voll besetzt mit Streitkräften anwesend und dient als Schutzschild für die südlichen Nachbarstaaten Irans. (Die Fünfte Flotte war auch deshalb organisiert worden.). Die Rolle Amerikas im Persischen Golf war vor der Islamischen Revolution eher symbolisch. Die amerikanischen Streitkräfte sind in Irans südlichem Gewässer stets anwesend. Obwohl die damalige Sowjetunion, die für die nördlichen Grenzen Irans eine große Gefahr darstellte, nicht mehr in jenem Sinne exis-tiert, ist die Lage in Mittelasien und in dem Kaukasus-Gebiet nach wie vor bedrohlich. Die Sowjetunion existiert nicht mehr; für uns bedeutet es nur, das wir keine gemeinsa-men Grenze mit der russischen Zentralmacht haben; die politische Gefahr ist damit je-doch nicht aus der Welt.

In einer solchen Region kann man sich nicht einfach im Vorwand der bilateralen freundschaftlichen Beziehungen zu den Nachbarländern und der angeblichen Treue zur Charta der Vereinten Nationen einer außenpolitischen Debatte entziehen, so wie dies bereits unter der islamischen Führung gemacht wird. Wir stehen weder in Schuld ande-rer Nationen noch haben wir irgendwelche Erwartungen von anderen. Die Verteidigung der Rechte der Palästinenser oder der Schiiten in Libanon oder der Schiiten und Mosli-me anderer Länder steht nicht in unserem Zuständigkeitsbereich. Die Auseinanderset-zung mit Fragen, wie zum Beispiel, wie viel Prozent der Bevölkerung unserer Nachbar-staaten aus Schiiten besteht, oder wie viele Moslime in Bosnien leben, verliert bei uns ebenso an Priorität. Irans Ressourcen - abgesehen von humanitären Interventionen - müssen im iranischen Interesse innerhalb des Landes und für Wirtschaft und Kultur Irans außerhalb dessen geographischen Grenze verwendet werden. Weil wir im Gegen-satz zu anderen Ländern in West-, Mittel- und Zentralasien einer Revision und Ver-schiebung der Grenzen werde zustimmen noch bestreben, können und müssen wir eine herausragende Rolle in der Stabilität der Region spielen. Unser Einsatz für regionale Stabilisierung kann auch gegenseitige Aggressionen und Eingriffe der Nachbarländer verhindern, wie es vor der Islamischen Revolution der Fall war. Um dieses Ziel zu er-reichen, müssen wir allerdings bei uns selbst anfangen. Die Länder um das iranische Territorium beispielsweise verteidigen, ohne eine aggressive Politik zu verwenden, ihr eigenes nationales Territorium und ihre eigene Ressourcen. Im Persischen Golf setzen die Golfstaaten ihr eigenen nationalen Interessen durch. Selbstverständlich mindert sol-che Einstellungen die aggressive Politik des irakischen Regimes. Wir dulden keine an-griffslustige und eroberungstüchtige Politik in der Region.

Der Iran, gelegen in einer der gefährlichsten Regionen der Welt, benötigt zu seiner ei-genen Verteidigung ausgebildete Streitkräfte, die zur Abwehr jeder potentiellen Gefahr bereit sind. Das jetzige militärische Chaos und die nicht nachvollziehbare Verteilung der Streitkräfte einerseits in der Armee und andererseits in der Revolutionsgarde (pers.: Sepah-e Pasdaran) schwächt auf Grund der unterschiedlichen Interessen die militäri-sche Autorität des Landes. Die gedemütigte iranische Armee muss ihren ehrenvollen Stellungswert sowie ihren Anteil an nationalen Ressourcen wieder gewinnen. Die Revo-lutionsgarde, die zur Zeit das Volk unterdrückt, muss sich auflösen und in der Armee assimiliert und die Aufgabe der Verteidigung des Landes wieder ernsthaft aufnehmen, so wie sie es während des Irakkrieges getan hat.

Die strategische Lage Irans, der im Norden durch das Kaspische Meer, im Süden durch den Persischen Golf und den Golf von Amman begrenzt ist, bildet den Kreuzungsweg zwischen Mittel-, Zentralasien und Europa - eine neue Seidenstraße. Das iranische Ge-biet verfügt über Gas- und Ölreserven und bildet das Zentrum eines Wirtschaftsmarkts. Eine solche geographisch-wirtschaftlich günstige Lage, bietet uns eine große Chance zur Entwicklung eines modernen Kommunikationsnetzwerks sowie Entwicklung indus-trieller und finanzieller Infrastrukturen an, die letztlich den Aufstieg ermöglichen. Dazu gehört jedoch eine kluge Außenpolitik.

Die Weltmächte, Amerika, die Europäische Union, Russland, Japan, bald aber auch China und Indien, können uns auf dem Weg des Entwicklungsprozesses beistehen. Be-sonders die westlichen Staaten haben viele neue Ideen, von denen wir lernen könnten; von dem kleinen Finnland bis zu der Großmacht USA. Wir lehnen Feindschaft und Krieg gegen andere - vor allem stärkere - Länder ab. Das einzige, was wir wollen, ist, dass wir das Niveau der stärkeren Länder erreichen können. Unter allen Ländern ist unser Nachbar Russland, der im Kaukasus und in Zentralasien vertreten ist, unser größte Nebenbuhler. Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus jedoch ist es der beste Partner. Russland kann aufgrund der geographischen Nähe der beste Wirtschaftspartner Irans in der Zukunft sein.

B) Kulturpolitik

Die kulturelle Stagnation im Iran muss durch eine zukunftsgerichtete Politik, die über theoretische und praktische Pläne verfügt, ersetzt werden. Der glorreichen Geschichte und Errungenschaften Irans ständig zu prahlen - auf einer Welt, deren Kultur heute ü-berwiegend durch Technologie und Wirtschaft geprägt ist -, würde uns euphorisch in die Vergangenheit zurücksetzen und von Fragen der Gegenwart und der Zukunft abhal-ten. Das iranische Volk besitzt das Potential zum abermaligen Aufstieg in der Weltkul-tur. Allein in den letzten drei Generationen haben wir einen gewissen Grad an moderner Kultur in Bereichen der Wissenschaft, Kunst und Lebensform hervorgebracht. Das ira-nische Volk kann sich innerhalb der Weltkultur recht gut behaupten.

Die Bildung von Menschen, Unterstützung des Landes zwecks einer modernen Techno-logie, Erweiterung der kulturellen Basis im Land, Öffnung des Landes gegenüber den besten kulturellen und wirtschaftlichen Neuerungen bilden unsere Antwort auf die Frage nach der nationalen Identität des iranischen Volkes. Nur durch eine kulturelle und wirt-schaftliche Wandlung ist der Iran imstande, sich in der Zukunft zu behaupten. Die bes-ten kulturellen und wirtschaftlichen Epochen haben wir nur in den Zeiten erlebt, in de-nen wir im Zentrum der Weltwirtschaft standen. Die Rückläufigkeit unserer Kultur in den letzten zwei Jahrzehnten hat nicht unsere Identität geändert. Heute kennen nicht nur wir die iranische Identität und Kultur besser als zuvor, sondern auch die ganze Welt. Dass wir auf der Welt präsent sind, bildet einen Teil unserer nationalen Identität und nicht etwa eine zeitlich - kurz oder lang - begrenzte Vorstellung einer Generation.

Zweites Kapitel

Freiheit

Der Gedanke an Freiheit und Demokratie gehört heutzutage zur Selbstverständlichkeit des sozialen Lebens. Demokratische Staaten sind heute derart vertreten, so dass man sich immer wieder auf solche berufen kann, um die demokratischen Werte mit Nach-druck populär zu machen. Die Majorität der Mehrheit und die Rechte der Minderheit, die sich jede Zeit zu einer Mehrheit entwickeln kann, Pluralismus, Trennung von Staat und Religion, Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, Freiheit der Rede und der Versammlung sind das Alphabet einer modernen Regierung; und die Gesellschaften, die solche Rechte nicht genießen, sind immer Krisen ausgesetzt und unterlassen in ihrem Entwicklungsprozess nie den Versuch, solche demokratischen Werte zu erringen.

Das neue Verständnis der Freiheit wird heute von der Wirkung der Menschenrechte auf den Staat und dessen Souveränität hergeleitet. Mit dem Staat bzw. der Regierung ist die Herrschaft (Autorität) des Volkes gemeint, die durch den Staatsapparat und durch die Parlamentsabgeordneten vertreten wird, die über allgemeine und soziale Angelegenhei-ten entscheiden. Die Souveränität des Volkes ist das Recht und der Staat ist das Instru-ment zur Anwendung und Ausführung dieses Rechtes.

Alle Regierungen, sogar die demokratischen, die heute durch Gesetzlinien einge-schränkt sind, haben in der Vergangenheit große Macht genossen, weswegen sie noch heute durch die Organisationen zur Verteidigung der Menschenrechte kritisiert werden. Die staatliche Kontrolle von audiovisuellen Medien, das Abhören von Telefongesprä-chen sowie polizeiliche Überwachung waren Angelegenheiten, die bis vor kurzem in einigen Ländern gang und gäbe waren. Heute ist die Macht der Regierungen überall da, wo Organisationen zur Verteidigung der Menschenrechte vertreten sind, eingeschränkt. In den demokratischen Ländern ist die staatliche Kontrolle über Medien abgeschafft; die Majorität der Justiz spielt die wichtigste Rolle in der Verteidigung der Rechte von Staatsbürgern. Die meisten Gesetze, die für die Regulierung von wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen entworfen worden waren, sind heute entweder erleichtert oder ganz abgeschafft.

Die Menschenrechte beeinflussen die Souveränität des Staates sehr bedeutsam. Die Souveränität ist in ihrer Bedeutung genauso abstrakt wie etwa der Besitz. Sie definiert sich einerseits als das Recht zum Regieren. Zum Beispiel das Recht auf Regieren, das die Menschen für sich in Anspruch nehmen - genannt Souveränität des Volkes oder Demokratie; andererseits die göttliche Souveränität impliziert durch Monarchie, The-okratie oder Oligarchie (Iran und China). Von einer nationalen Souveränität kann nur dann gesprochen werden, wenn eine Regierung oder ein Staat kraft der durch das Volk erteilten Macht über das eigene Territorium und Volk bestimmen kann. Der Staat hat gemäß internationalen Vereinbarungen innerhalb seines Territoriums die freie Hand. Die nationale Souveränität ist jedoch durch die allgemeine Erklärung der Menschen-rechte, welche die Mitgliedsstaaten der UNO unterzeichnet haben, beschränkt. Eine besondere Einschränkung findet sie durch die Vereinbarungen, die von vielen Parla-menten der Mitgliedsstaaten gegen das Verbrechen gegen die Menschlichkeit getroffen und durch die Einrichtung des internationalen Tribunals bestätigt worden ist. Die inter-nationale Gemeinschaft verfügt über das Recht und die Autorität, jene Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen, die Verbrechen gegen ihre eigene Bevölkerung begehen. Die Führer solcher Regierungen werden verfolgt und in den Ländern, welche diese Verein-barungen unterzeichnet haben, vor Gericht gestellt.

Wir definieren den Begriff Freiheit im Rahmen der Menschenrechte; mit anderen Wor-ten im Rahmen der Demokratie, die durch Menschenrechte begrenzt wird. Keine Geset-ze - weder durch eine Majorität noch im Namen der Religion - dürfen Individualrechte im Rahmen der allgemeinen Erklärung der Menschenrecht verletzen. Für dieses Kon-zept ist die Welt den Verfassern der amerikanischen Verfassung dankbar, die alle Men-schen für gleich und ihre Rechte für unübertragbar und unverzichtbar erklärt. Der Zu-ständigkeitsbereich der Regierung, der die Staatsgewalt, die Gesetzgebung und die Jus-tizgewalt umfasst, müssen möglichst eingeschränkt werden. Eine unabhängige Justiz-gewalt muss die Rechte der Menschen und der Regierung schützen. Auch wir verteidi-gen das Recht der internationalen Organisationen, die sich in den internen Staatsangele-genheiten zum Schutz der Menschenrechte einsetzen, ohne auf unsere nationalen Hoheit zu verzichten.

Liberale Demokratie, wie sie sich innerhalb der letzten zweihundert Jahre im Westen entwickelt hat und sich mit der Zeit noch weiter entwickeln wird, ist das System, das wir für die zukünftige iranische Staatsform vorschlagen. Das wichtigste Organ in solch einer Staatsform ist das Parlament, das den Wunsch der Mehrheit reflektiert. Die staatli-chen Ämter sind dem Parlament gegenüber verantwortlich. Damit eine Demokratie rich-tig funktioniert, muss es zuerst ein demokratisches und funktionsfähiges Parlament ge-ben. Ein gerechtes Wahlgesetz ist in dieser Hinsicht entscheidend. Die Wahlsysteme sind entweder absolut oder proportional. Im absoluten System gewinnt jeder Kandidat, der 50% plus 1 der Stimmen erhält. Im Proportionalsystem werden die Parlament-Sitze entsprechend dem Anteil an den gewonnenen Stimmen verteilt. Ein proportionales Sys-tem der Wahlen ist für die Gesellschaften mit einer zersplitterten Politik geeigneter. Denn in solchen Gesellschaften ist der Konflikt von Stimmen häufiger und stärker. Je-doch sollte es, wie im Modell der Bundesrepublik Deutschland, ein verhältnismäßig hohes Minimum (fünf Prozent in diesem Fall) festgelegt werden. So dürfen die Parteien, die dieses Minimum nicht erreichen können, keine Sitze im Parlament besetzen und die Entscheidungen blockieren. Ebenso müssen Gebühren bestimmte werden, die Kandida-ten zum Kandidieren zu zahlen haben. So wird jeder zur Kalkulation eines möglichen Wahlgewinns bewegt. Es wird auch dadurch eine Überzahl an Kandidaten verhindert. Diese Vorkehrungen sind notwendig, um die Trivialität des Wahlprozesses, wie in so vielen anderen Angelegenheiten zu verhindern. notwendiger sind sie vor allem in einem Land wie Iran, der zur starken Verbreitung von politischen Gruppen und Tausenden von Kandidaten für Parlament und Präsidentschaft geneigt ist. Es muss vermieden werden, dass das Parlament wie in Israel und Italien (vor den neulich erfolgten Korrekturen) durch die Randgruppen blockiert und gestoppt wird. Um den Einfluss des Geldes und der speziellen (individuellen) Interessen an der Politik zu beseitigen, sollten den Betei-ligten entsprechend ihrem Anteil freie Presse mit einer vorgeschriebenen Sendezeit und einer allgemeinen finanziellen Unterstützung zur Verfügung gestellt werden.

Es ist selbstverständlich, dass in einer liberalen Demokratie die Form des Regimes, Monarchie oder Republik, nicht wichtig ist (Spanien oder Portugal). Auch in einer Dik-tatur gibt es keinen Unterschied zwischen Monarchie (Saudi Arabien) und Republik (Syrien). Dennoch bevorzugen wir eine konstitutionelle Monarchie anstatt einer Repu-blik, weil sie mit unseren weitreichenden Traditionen kompatibler ist. Unserer Ansicht nach sind die Ziele, welche durch eine zunächst langjährig pflegebedürftige Demokratie erreicht werden sollen, unter einer Monarchie wesentlich einfacher erreichbar. Auf die Frage, demokratische oder parlamentarische Monarchie sei im Iran nie erfolgreich ge-wesen, dürfte folgende Bemerkung genügen: Alle politischen Tendenzen der Vergan-genheit, sogar diejenigen, welche sich als demokratisch und verfassungsorientiert be-hauptet haben, waren autoritär und intolerant. Was die Zukunft der Demokratie im Iran mehr als zuvor sichert, sind die beträchtliche Sozialinfrastruktur und die Reife der irani-schen Gesellschaft, sowie die wertvollen Erfahrungen der letzten hundert Jahre; am al-lermeisten die 20-30 Million starke iranische mittlere Schicht der gebildeten Frauen und Männer, die nicht ökonomisch, sondern kulturell in die mittlere Schicht aufzunehmen sind. Denjenigen, die aus einem ausschließlich logischen Gesichtspunkt heraus einen Widerspruch zwischen der konstitutionellen Monarchie und der traditionellen Monar-chie feststellen, kann nicht widersprochen werden. Das Konzept der konstitutionellen Monarchie in der iranischen Gesellschaft ist noch nie durchgeführt und ausprobiert worden, und man kann es nicht unter der Berücksichtigung der veralteten und traditio-nellen Werten verteidigen oder ablehnen. In allen Phasen der Monarchie-Tradition im Iran kann man kein konstitutionelles Konzept feststellen. Als Muster eines solchen Konzeptes gelten aber alle europäischen Ländern mit einer konstitutionellen Monarchie. Sie haben in einem historischen Moment - über Jahre und Generationen - ein traditio-nell verankertes System trotz seiner Langlebigkeit durch neue und zeitgemäße Werte und Maßstäbe justiert und eine Kombination und Zusammenwirken von Tradition und Modernität ermöglicht. Die konstitutionelle Staatsform konnte zeit seiner Entstehung im Iran nicht vollständig durchgeführt werden. Aber wenn etwas im einem bestimmten Moment der Geschichte nicht gelingt, bedeutet nicht, das es zukünftig auch nicht gelin-gen wird. Wir erkennen das Erbe der Pahlavi-Monarchie, personifiziert durch Reza Pah-lavi, als Irans berechtigte konstitutionelle Monarchie. Dies bedarf allerdings der Zu-stimmung der iranischen Nation, die durch ihre Wahl zunächst über die zukünftige Re-gierungsform entscheiden soll. Wie in allen anderen Fällen, respektieren und erkennen wir die Entscheidung und die Wahl der iranischen Nation an.

* * *

Freiheit der Rede, Freiheit der politischen, sozialen und kulturellen Versammlungen bzw. Verbindungen aller Art bilden die offensichtlichen Vorbedingungen einer Demo-kratie. Jedoch wird Freiheit der Rede durch die zivile Verantwortlichkeit bedingt, die im Rahmen einer bestimmten Gesetzgebung erzielt wird. Freiheit von verschiedenen Ver-sammlungen bedeutet, dass niemand zur Mitgliedschaft in irgendeiner Gesellschaft und zur Beteiligung an irgendeiner Partei gezwungen werden darf.

Die Demokratie ist mit dem Zentralismus (der zentralen Lenkung des Staates) inkompa-tibel. Sie bedeutet die unmittelbare Teilnahme von Menschen am politisch-gesellschaftlichen Geschehen. Die Erfahrung hat uns gezeigt: Demokratische Organisa-tionen können erst dann gebildet werden, wenn immer ihnen Konfrontationsmöglichkei-ten mit zentralisierten Regierungen gegeben wird. Im Verlaufe eines solchen Prozesses, welcher zu Dezentralisierung der Macht führt, wird dann die Verteilung der Macht unter der Allgemeinheit ermöglicht, was wiederum zu einer größeren Leistungsfähigkeit und Mobilisierung des Volkes führt. Der Zentralismus darf nicht mit einer zentral koordi-nierten Regierungsform (einer Bundesregierung) verwechselt werden. In einem Demo-kratieprozess gibt es Koordinationszentren zwecks eines reibungslosen Verlaufs jenes Prozesses, während der Zentralismus die Entmachtung von Teilen eines Ganzen zur Folge hat, so dass die Eigeninitiative der Menschen dadurch vernachlässigt wird. Die Notwendigkeit der Demokratie und der Entwicklung des Landes insgesamt verlangen im Iran nach einer strengen Verteilung der Regierungsmacht innerhalb des Landes.

Ein anderer Punkt muss noch erwähnt werden: der Iran befindet sich in einer Region, die in ihrer Geschichte unter enormer Instabilität steht. Die Grenzen dieser Region sind durch Kolonialisierungen oder resultierend aus fremden Invasionen gezogen worden; die ganze Region wird durch Mächte regiert, deren Existenz ohne fremde Unterstützung und fremden Druck undenkbar scheint. Der Iran selbst wurde zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert in seinen vier Ecken geschnitten: die Schlacht von Chaldoran, in der die Osmanen einen großen Teil von Kurdistan vom Iran abgetrennt haben, die russi-sche Expansion auf dem iranischen Kaukasus-Gebiet und in Zentralasien und schließ-lich Festlegung der östlichen und südöstlichen Grenzen und der Flussgrenze des Schatt-ol Arab im 19. Jahrhundert durch das Großbritannien entsprechend der Kolonialgebiete und die Zerlegung der Insel im Persischen Golf durch England. Infolgedessen haben die meisten Menschen, die an den Grenzgebieten leben, Verwandte auf beiden Seiten. Diese Tatsache kann eine gute Gelegenheit für die kulturelle und ökonomische Expansion sein; oder im Gegenteil die Ursache einer konstanten Spannung und eines möglichen Konflikts mit den Nachbarn. In der Vergangenheit versuchte die Regierung, durch Zent-ralisierung der Staatsgewalt und der Verwaltung in Teheran Spannungen und Konflikte unter Kotrolle zu bringen. Die Konstitutionalisten waren sich Gefahren solcher Zentrali-sierung bewusst. Sie schlugen örtliche, provinzielle und regionale Versammlungen vor. Eine solche Politik muss heute erweitert werden, und zwar durch die Verteilung der Staatsgewalt und der Regierungsmacht unter den zentralen und lokalen Organisationen des Staats. So bekommen auch die örtlich gewählten Behörden die Vollmacht, Ent-scheidungen zu treffen und haben einen angemessenen Anteil an nationalen Mitteln. So können gleichzeitig die nationale Einheit und die demokratische Ordnung verstärkt werden. Der Zuständigkeitsbereich jedes Gouvernements sollte durch die Entscheidun-gen von einheimischen Bewohnern und hinsichtlich der ökonomischen Entwicklungen festgelegt werden. Unsere Politik zur Dezentralisierung und zur Verstärkung der lokalen Regierungsmacht basiert auf drei Aspekten:

1) Ein Volk - eine Nation: Wir sprechen von einem Land und von einer Nation. Der Iran ist kein multinationales Land. Keine Nation ist gezwungen worden, sich mit der iranischen Nation zu verbinden; er ist ein Land, in welchem Menschen mit unter-schiedlichen Sprachen und mit verschiedenen Religionen leben, und zwar seit der Geschichte seines Bestehens; von den Medern bis heute. Sie haben das Land Hand in Hand verteidigt und haben uns dieses Vaterland hinterlassen. So bilden sie auch eine einzige Nation, und sie ist die iranische Nation. Wir lassen unter keinen Um-ständen eine Zerteilung unseres Vaterlands zu. Der Iran mit den gegenwärtigen Grenzen stellt in seiner Geschichte stets das Kerngebiet jedes iranischen Staats dar, und sein Name ist seit mehr als 2000 Jahren unverändert geblieben. Solch ein Land kann nicht als Multinational bezeichnet werden. Man kann nicht von einem nationa-len oder ethnischen Unrecht sprechen, da die meisten ethnischen Gruppen Irans manchmal für Jahrhunderte das Land regiert haben.

2) Die Unteilbarkeit der souveränen Hoheit Irans und die Teilbarkeit der Staatsmacht: dies bedeutet: die Bewahrung des iranischen Territoriums unter einer Regierung und einer Verfassung, welche in ihrem Wesen die nationale Einheit Irans darzustellen vermag. Die iranische Bevölkerung lebt unter einer und derselben Verfassung. Die Amtssprache des Landes ist zugleich die nationale Sprache, d.h. Farsi. Aber der I-ran wird unserer Auffassung nach von keiner zentralisierten Macht regiert. Jede Re-gion, Provinz, Stadt und jedes Dorf üben lokale Angelegenheiten durch eigene ge-wählte Organe aus. Ein Senat mit einer gleichberechtigten Zahl der Repräsentanten von jeder Region soll zusammen mit dem Parlament die Rolle des Gesetzgebers er-füllen. In den Entwicklungsprojekten haben die ärmeren in ihrer Entwicklung zu-rückgebliebenen Regionen die Priorität.

3) Die zivilen und kulturellen echte der unterschiedlichen religiösen und ethnischen Gruppen:

Wir stimmen den zivilen und kulturellen Rechten auf der Basis der Menschen-rechtsvereinbarungen zu. Wir erkennen diese Rechte und bestätigen sie. Jede(r) BürgerIn der iranischen Nation hat das Recht die Sprache zu sprechen, die sie / er bevorzugt; sie / er hat das Recht auf Benutzung von Massenmedien in ihrer / seiner Muttersprache, auf den Erhalt ihrer / seiner provinziellen und ethnischen Tradition und auf die religiöse Freiheit. Wir kennen keine ethnischen oder religiösen Minori-täten, weil es kein sonderlich definiertes und spezielles Recht für die Majorität ge-ben wird. Für uns existiert nur eine Art der Mehrheit, und zwar Mehrheit der Wäh-ler; selbst diese Mehrheit ist ein temporäres Phänomen. Wir sind der Meinung, dass kein Mensch nach seiner Religion oder nach seiner ethnischen Zugehörigkeit gefragt werden darf.

Föderalismus ist für ein Land wie den Iran unter der Berücksichtigung seiner Geschich-te in der Zentralverwaltung eine künstliche Lösung und gleichzeitig aber auch eine Dro-hung für seine nationale Einheit. Die regionale Autonomie und Selbstermittlung hinter-liess nach dem Zweiten Weltkrieg im Iran keine gute Erinnerung, zumal als fremde Be-satzungsmächte versuchten, das Land unter einem solchen Prinzip zu zerlegen. Jede Beharrlichkeit auf solchen labilen und hinsichtlich Irans nicht genau definierten und gefährlichen Perspektiven erschwert die wesentliche Aufgabe, nämlich Dezentralisie-rung der Macht, Verteidigung der zivilen- und kulturellen Rechte der Nation.

Drittes Kapitel

Fortschritt und Entwicklung

Der Begriff Entwicklung ist in Farsi ein neuer Terminus der Nachkriegszeit. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde in Farsi statt Entwicklung der Terminus Fortschritt gebraucht. Mit der Entwicklung ist die Fähigkeit einer Nation zum Fortschritt gemeint. Jede Nation auf dem Weg der Entwicklung soll in der Lage sein, ihre Probleme selbst zu lösen und zugleich auch die allgemein gültigen Standardwerte zu erreichen, so dass sie sich neben den anderen entwickelten Ländern behaupten kann; im Englischen also take off. Eine Nation, die sich in einer Entwicklungsphase befindet, kann Selbstbewusstsein, Selb-ständigkeit und Handlungsfähigkeit erlangen. Entwicklung geschieht in den Bereichen der Kultur, Politik und Wirtschaft.

A) Wirtschaft

Die Wirtschaftspolitik in unserem Sinn ersetzt Ideologie durch Pragmatismus. Dieser Wandel gewinnt in unserem Konzept an Priorität. Der Iran hat heute eine Bevölkerung von etwa siebzig Millionen; etwa die Hälfte davon lebt an oder sogar unterhalb der Ar-mutsgrenze. Das Land befindet sich in einem sehr schwachen Wirtschaftssystem, das ohne Ölexporte kaum Überlebenschancen hat. Ein solches Wirtschaftssystem kann man nur auf intelligente Weise retten; durch jene Strategien und politischen Konzepte, die ihre Wirkung in anderen Ländern unter ähnlichen Bedingungen bereits gezeigt haben. Die heutige Wirtschaftslage Irans erlaubt uns keinen Rückgriff auf alte und wirkungslo-se Konzepten der Vergangenheit. Eine pragmatische und praktische Wirtschaftspolitik hat folgenden Eigenschaften:

1) Unterstützung von privaten Innovationen und Investitionen in der Wirtschaft ohne direkte Einflussnahme der Regierung sowie eine Regulierung der Wirtschaft durch ein notwendiges Minimum an Gesetzen. Die uneingeschränkte Teilnahme von pro-duktiven Kräften an der wirtschaftlichen Entwicklung ist unumgänglich. Die Kon-kurrenzfähigkeit der produktiven Kräften auf der wirtschaftlichen Basis muss geför-dert werden. Produktive Menschen und Menschen mit neuen Ideen sollten an Er-gebnissen und Erfolgen ihrer eigenen Experimenten teilhaben. Dieses Recht darf ih-nen nicht im Namen des Staatsinteresses verweigert werden.

Durch Aktiengesellschaften können Arbeitnehmer an Gewinn und Kapital von Un-ternehmen teilhaben. Durch die Aktiengesellschaften und durch die direkte Teil-nahme von Menschen an diesen Gesellschaften kann das Kapital von Firmen zugleich als nationales Kapitel und Volksvermögen gelten. Wenn das Interesse und der Wille zur Investition die Bankkredite und Bankinvestitionen ersetzen würde, dann würden immer mehr Aktiengesellschaften von Investoren gegründet werden, die das allgemeine Interesse am Investieren anregen und unterstützen.

2) Die Rolle der Regierung in der Wirtschaft sollte im Wesentlichen auf Investitionen in den allgemeinen Dienstleistungen, auf Stabilisierung von Kapitalmärkten in Zu-sammenarbeit mit privaten Sektoren, auf den Schutz von Verbrauchern und Produ-zenten und auf den Umweltschutz begrenzt werden. Hinsichtlich der lebenswichti-gen Rolle des Öleinkommens im Iran gibt es keine weitere Alternative außer der staatlichen Aufsicht über die Erdölindustrie, solange die Einkommenssteuer nicht die Staatsausgaben oder größere Teile davon deckt. Auch wäre zeitlich begrenzte Aufsicht des Staats über die Stromenergie, das Bahnsystem sowie über allgemeine Dienstleistungen wie zum Beispiel die Postdienstleistung ratsam. Letztlich aber darf staatlichen Unternehmen die Möglichkeit der Privatisierung nicht verweigert wer-den. Um die nationale Industrie wieder aufzubauen und ihr die Konkurrenz in den Weltmärkten zu ermöglichen, kann der Staat bei der Personalausbildung, Forschung und Materialinfrastruktur, Forschung und Entwicklung (R & D) zum wirtschaftli-chen Aufschwung Hilfe leisten, indem er die Teilnahme der Universitäten und der Forschungsinstitute an der Industrie unterstützt. Eine solche Unterstützung seitens der Politik ist nur während einer begrenzten Zeit und in den Industrien mit einer hö-heren Konkurrenzfähigkeit nützlich. Eine Industrie, die auf Zolleinnahmen und staatliche Subventionen angewiesen ist, erweist sich nicht als handlungsfähig. Ein-schränkungen gelten auf Grund der hohen Kosten auch Importstrategien. In der heu-tigen Wirtschaft ist die Unabhängigkeit von ausländischen Produkten nicht vorstell-bar. Länder mit wirtschaftlich strukturellen Vorteilen (Naturressourcen, Nähe zum Markt für Konsumgüter, Arbeitskraft etc.) können die größte Hilfe leisten; gerade in solchen Ländern sollte durch gute Arbeitsteilungen, Arbeitsverteilungen und Kon-zentration auf Industrien investiert werden. Nicht jedes Land kann nur durch Selbst-produkte für die Bedürfnisse seiner Bevölkerung aufkommen. Außerdem müssen unterschiedliche Währungswerte und Manipulation der Währungsstabilität und An-reize zum Schwarzmark untersagt werden. Obgleich der Dienstleistungssektor in der nationalen Volkswirtschaft eine ständig steigende Rolle spielt, sollte sich die Wirt-schaft im Iran von dem Handeln auf dem elektronischen Weg bis hin zu Banken, Versicherungen und Restaurant, in der nationalen Gestalt durch Produktion zu ei-nem Binnenmarkt und einem Zugang zu einem sehr großen Wirtschaftsbereich unter den Nachbarländern entwickeln und ausgebildete und möglichst fähige Arbeitskräfte zu gewinnen. Der Iran verfügt über eine Reihe von Vorteilen wie seine Naturres-sourcen und eine große ökonomische Potential. Diese sind Faktoren, die eine be-trächtliche industrielle Basis in der Region verschaffen. Es gibt zwei Schlüsselele-mente zur Industrialisierung Irans: das erste ist die Ausbildung: Arbeitskräfte mit ei-ner Ausbildung auf der Basis des modernes Wissenstands und der Technologie. Ü-ber solche Fähigkeiten sollte der Arbeitnehmer zwecks effektiver Arbeit verfügen. Das zweite und erforderliche Element ist der Import moderner Technologie und eine moderne Unternehmensführung, die teils durch ausländische Investitionen bewerk-stelligt werden kann. Wir sollten uns vor dem Profit, den ausländische Firmen durch ihre Investitionen gewinnen, nicht erschrecken lassen. Ein bloßes Importland von Waren und Dienstleistungen hat eine niedrigere und ärmere Wirtschaft als ein Land, das sich durch ausländisches Kapital zu einem Exportland entwickelt. Ein Vergleich zwischen Südkorea, Thailand und Indonesien mit sozialistischen oder kapitalisti-schen Ländern der Vergangenheit und der Gegenwart unterstreicht die Unterschiede.

3) Die Aufgabe der Regierung ist die Einnahme und Kontrolle von Steuern und nicht die Zahlung von finanziellen Beihilfen. Die Bevölkerung soll auf ihren eigenen Bei-nen stehen. Die Regierung darf nicht die Rolle einer Sozialfürsorge spielen, sondern sich als ein verantwortliches Organ gegenüber den Menschen verhalten. Den Men-schen soll zuerst Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden; erst dann können sie je nach ihrem Einkommen Steuern zahlen. Das Steuersystem hat eine wichtigere Rolle als Finanzierung von Staatskosten, Stabilisierung von ökonomischen Fluktuationen oder sogar Verringerung der sozialen Kluft zwischen den Besser- und Schlechtver-dienenden. Eine Demokratisierung ist ohne Rücksichtnahme auf ein leistungsfähiges Steuersystem unmöglich. Eine Gesellschaft, die nicht genügend Steuern zahlt, ist ein Rentier mit einer Regierung, die keinen Bedarf an Kontribution sieht. Eine Regie-rung, die ohne ausreichende Annahme von Steuern dennoch bestehen kann, fühlt sich gegenüber der Bevölkerung nicht verantwortlich. Sie ist von anderen Faktoren und anderen Kräften außer der Bevölkerung abhängig, wie zum Beispiel Öl, auslän-dischem Beistand, multinationalen Firmen u. ä. Die Besteuerung führt zur Verant-wortlichkeit gegenüber der Bevölkerung. Aber eine Steuerpolitik sollte nicht bloß zum Sichern von Einkommen oder zum Planieren von Verschiedenheiten bestimmt sein. Sie sollte auch jenen politischen Linien dienen, die Investitionen, soziale Un-terstützungen und Sparmaßnahmen programmieren. Man kann nicht einerseits unter dem Vorwand von sozialer Unterstützung der ärmeren Schicht der Gesellschaft Un-ternehmungsfreiheiten einschränken und andererseits Investoren unter finanziellen Druck setzen, so dass sie ihr Kapital und Fachpersonal ins Ausland verlegen. Wer-den Investitionen erschwert, so kann die Flucht von Investoren und somit auch von Fachkräften vom Kapital nicht verhindert werden.

B) Zivilgesellschaft

Die Zivilgesellschaft versteht unter anderem auch die Entstehung von freiwilligen Or-ganisationen - einschließlich der politischen Parteien - und sieht einen freien politi-schen Raum für Versammlungen von Parteien ohne irgendwelche Störung seitens der Regierung vor. Sie bedeutet ebenfalls die Unterstützung und Verteidigung der Bürger-rechte und die Durchführung der zivilen Aufgaben durch jeden einzelnen Bürger sowie die Regelung zivilisierter Sozialverhältnisse. Sie ist eine offene Gesellschaft, die auf Recht und Verantwortlichkeit des Individuums basiert und ist für den Pluralismus, der der Demokratie und Majorität der Bürger dient von wesentlicher Bedeutung. Die Ver-stärkung von zivilen Institutionen ist für das Bestehen einer Zivilgesellschaft sowie für die Kontrolle der Regierung und der Marktkräfte notwendig. In solch einer Gesellschaft ist die Teilnahme an sozialen und geistigen Aktivitäten erlaubt, solange sie Gewalt und Gewalttätigkeit nicht unterstützen oder befürworten, die Prämisse der Trennung von Religion nicht in Frage stellen und keine militärische Gewalt ausüben.

Im Iran sind wegen der althergebrachten Kultur der Gewalttätigkeit - insbesondere nach der Islamischen Revolution - die Relation zwischen Politik, Gesellschaft und Familie außer Gleichgewicht geraten. Vor allem erlebt die iranische Gesellschaft infolge der Islamischen Revolution von 1979 einen enormen Tiefpunkt in ihrer Geschichte, weswe-gen auch der Bedarf an der Zivilgesellschaft mehr als je zuvor gestiegen ist. Wegen der Sonderstellung Irans infolge der kulturellen Stagnation ist die Herstellung einer Zivilge-sellschaft nur noch mit sonderbaren, ja sogar tiefgreifenden Maßnahmen möglich. Eine zivile Gesellschaft bedient sich der weltweit anerkannten Werte. Wir sind gegen die Todesstrafe und gegen die Gewalt in der Gesellschaft. Wir weisen das bedeutungslose Konzept des "politischen Verbrechens" im Sinne der Abschaffung von Gewalt aus dem politischem Geschehen vollständig ab. Nach unserer Auffassung dürfen Menschen nicht wegen ihres Glaubens, ihrer politischen Gesinnung und Entscheidung oder ihres politi-schen Amtes verfolgt und bestraft werden; es sei denn, es liegen Amtsmissbrauch, Ver-brechen gegen die Menschlichkeit und die Menschenrechte vor. Irans Gesellschaft und Politik müssen aus den schändlichen Kreisen des Blutvergießens und der Gewalttätig-keit herauskommen und vom tödlichen Erbe der Islamischen Republik befreit werden. Zu diesem Zweck schlagen wir im Sinne der Gerechtigkeit ein für allemal die Anord-nung eines Gerichts zur Verurteilung ohne Bestrafung aller Führer, Arbeiter und Be-diensteten des gegenwärtigen islamischen Regimes vor, um ihr Verbrechen aufzude-cken. Es ist offensichtlich, dass das Volksvermögen, das geplündert worden ist, an ihr Besitzer zurückgegeben werden muss. Dies wäre eine bittere Medizin, die um unseres gegenwärtigen und nationalen Wohls willen dennoch genommen werden sollte.

Es ist eine Tatsache, dass die Menschen in ihren Fähigkeiten und Leistungen verschie-den sind. Solche Verschiedenheiten dürfen nicht durch Verfolgung und Terror eines totalitären Regimes beseitigt werden. Aber Gleichheit im Recht und vor dem Gesetz kann und muss hergestellt werden. Die iranische Nation hat kein rassistisches Problem; jedoch existieren religiöse, geschlechtbezogene und geschlechtspezifische Probleme, welche zu den schlimmsten Unterscheidungen zwischen Menschen einer Gesellschaft gehören. Solche Probleme dürfen in Zukunft keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. Ein Iraner ist in erster Linie ein iranisches Individuum. Unsere Gesellschaft hat heute den Punkt erreicht, die Freiheit in Religion und Rechte des einzelnen Bürgers zu respek-tieren, einschließlich der Freiheit der Kleidung und Ausschaltung der Religion von den Angelegenheiten wie Gesetzgebung und Unterrichtswesen.

Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist ebenfalls ein erreichbares Ziel, und ira-nische Frauen haben bereits ihren Kampf dafür begonnen. Das Arbeiten außerhalb des Hauses ist ein Recht für alle Frauen, und die Belastung des Haushaltes zu teilen die Aufgabe von Männern. Frauen müssen in der Gesellschaft die gleichen Ausbildungen genießen wie Männer. Der Arbeitsmarkt soll ihnen wie allen Männer unter gleichen Bedingungen zugänglich sein. Die Lohndiskrepanz zwischen Männer- und Frauenarbeit muss beseitigt werden. Die Regierung muss mit gemeinsamer Teilnahme der Arbeitge-ber und Arbeitnehmer Kindergärten und Versorgungsstätten für die Kinder von berufs-tätigen Frauen errichten.

C) Ausbildung

Die Ausbildung und Anschaffung von Lehrstellen sind die wichtigsten Faktoren in der heutigen Gesellschaft, die sowohl auf dem nationalen als auch auf dem internationalen Niveaus eine entscheidende Rolle spielen. Im Zeitalter der Hochtechnologie kann die Rückständigkeit einer Gesellschaft mit keinem anderen Mittel außer der Technologie beseitigt werden. Technologie kann gekauft werden, wie Industrie. Aber solange sie im Land nicht einheimisch wird, wird die Rückständigkeit nach wie vor bestehen. Ein ho-her Standard an Ausbildung mit Qualität wird dazu führen, dass wir das Niveau der In-dustrieländer erreichen.

Die Regierung sollte ein Großteil des Staatshaushaltes für freie und allgemeine Ausbil-dung - von der Grundschule bis zur Universität und Hochschule und vor allem für Be-gabte - vormerken. Eine höhere Ausbildung wird für diejenigen frei sein, die die intel-lektuelle Kapazität haben. Auch der Privatsektoren sollen zu Investitionen auf dem Hochschulgebiet angeregt werden. Das pädagogische Programm der Schulen und Hoch-schulen sollte trotz seiner allgemein konstanten Lage auch flexibel sein und die Not-wendigkeiten der sozial unterschiedlichen Schichten und Verschiedenheiten der Teile des Landes in Erwägung ziehen. Das Hauptgewicht sollte auf einem umfangreichen Programm der Lehre mit der Teilnahme von Industrien nach dem deutschen Muster sein.

Formale Ausbildung und Lehre (Berufsschule) bilden nur einen Teil des pädagogischen Programms. Ein anderer Teil sollte sich mit Bereichen wie Sport, Kunst sowie die Kul-turpflege auf der nationalen und internationalen Eben befassen.

Die Iraner, die einst zu den Kulturmachern der Welt gehörten, sind heute in einem Streit der Banalität und des Konservatismus gelandet. Nach unserer Auffassung muss die Re-gierung in ihrem Ausbildungsprogramm, ohne den kulturellen Schiedsrichter zu spielen, die Ausbildung und Förderung künstlerischer Talente ermöglichen. In ihrem Programm muss sie die Einrichtung eines nationalen Netzes und kultureller Anstalten, wie Biblio-theken, Museen, Ausstellungen, Konzert- und Opernsaal, Theater, Kino usf. vorsehen. Auf dem Gebiet des kulturellen Aufstiegs und der Erneuerung sollte man der unmittel-baren und völligen Abhängigkeiten der Konzepte vom Regierungsapparat meiden. Nur diejenigen sollten befördert und gelobt werden, die mit neuen Ideen ihren kulturellen und sozialen Einsatz anstreben. Solche Unterstützungen dürfen nicht direkt von der Re-gierung, sondern durch die Vermittlung von unabhängigen Gesellschaften erteilt wer-den.

Viertes Kapitel

Soziale Gerechtigkeit

Auf dem Gebiet der sozialen Gerechtigkeit sprach der Engländer Bentham im 17. Jahr-hundert seine bedeutenden Worte: größtes Glück für die größte Zahl von Menschen. In unserer Zeit ist die Technologie so viel vorgerückt, dass allen Menschen ein gewisser Grad am Wohlstand zur Verfügung steht, was in der Vergangenheit nicht vorstellbar war. Heute besteht das Problemfeld mehr aus politischen und kulturellen Angelegenhei-ten. Regierungen sollen im Dienste der Menschen sein, und Menschen sollen für das Leben in dieser neuen Welt gebildet werden. Sogar die ärmsten Länder der Welt könn-ten ein höheres Niveau erreichen, wenn sie bei den Ausgaben und beim Gebrauch von den nationalen Betriebsmitteln und Ressourcen ihre Priorität bei den Bedürfnissen der Menschen und der Erhöhung des ökonomischen Potentials setzen. Größtes Glück für die größte Zahl von Menschen hat zwei Bedingungen: zuerst sollte die Möglichkeit zur Produktion und Kapitalerhöhung gegeben sein; dann sollte die Gesellschaft der Einzel-person gegenüber eine gewisse Verantwortung tragen. Der Iran hat das ganz Potential, eins der reichsten Länder zu werden und das allgemeine Lebensniveau seiner Bevölke-rung zu erhöhen. Das Hochland Iran, gelegen zwischen zwei Meeren, ist die Hauptstra-ße zwischen West-, Zentral- und Mittelasien. Er besitzt eine potentielle Kraft an intelli-genten, fleißigen und hart arbeitenden Menschen, bietet einen beträchtlichen Binnen-markt und einen Landzugang zu einem Markt, der von Indien bis zum Mittleren Osten und zum Persischen Golf reicht. Obwohl es dort keine kulturelle und wirtschaftliche Infrastruktur auf einem hohen Niveau gibt, lassen sich jedoch solche Infrastrukturen ohne große Schwierigkeiten beschaffen. Der Iran besitzt Naturressourcen in großer Menge, von denen die meisten Länder nur träumen können.

Solche Möglichkeiten und Mitteln können nur die Menschen in Anspruch nehmen, wel-che erstens an der Politik und an öffentlichen Angelegenheiten direkt teilnehmen, ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen und es keiner anderen Instanz wie Führer, Leiter, Imam und Schah überlassen. Nur so kann eine Politik im Sinne der Mehrheit von Men-schen geschehen. Zweitens sollten die Iranier sich mit dem höchsten Ausbildungsni-veaus und technische Fähigkeiten ausrüsten, die für die moderne Welt maßgebend sind und ohne die es keinem politischen System gelingt, unser Land zum Aufstieg zu bewe-gen. Drittens dürfen wir nicht erwarten, dass der Staat unser Leben finanziert und unse-re Wünsche erfüllt. Wir müssen selber für unser Leben und unsere Zukunft arbeiten. Der Staat ist der Repräsentant und die vertraute Instanz der Bevölkerung, die ihr Sicher-heit gibt. Er ist nicht der Aufpasser der Menschen von der Geburt bis zum Tode. Es wird in einer Bevölkerung immer wieder sozial schwache Menschen geben, die nicht für sich selbst sorgen können. In diesem Fall ist es die Aufgabe der Gesellschaft und der Regierung als ihr Repräsentant, Bedürftigen zu helfen. Aber die Arbeitsfähigen müssen stark arbeiten, um ihr Leben zu finanzieren, für die Kosten der ausgedehnten Sozialwirt-schaft aufzukommen und den sozialen Aufstieg zu ermöglichen. Eine Gesellschaft, die nur von Zinsen und Subsidien lebt und keine produktive Fähigkeit besitzt, ist nicht exis-tenzfähig, auch wenn sie in einem Land lebt, das unter Ländern mit Ölreserven den vier-ten und unter denen mit Gasreserven den zweiten Platz besetzt. Erdöl- und Gasreserven sind ein zusätzlicher Faktor in Irans Entwicklung. Sie sind keine Reserve für den tägli-chen Bedarf; auf diesen darf nicht tägliche Kosten der Wirtschaft basieren, so wie es in Reza Schahs Zeiten gewesen ist. Wohlfahrtsprogramme, wenn sie den Unterschied zwi-schen Arbeitern und Nicht-Arbeitern beseitigen, oder wenn sie ein gutes Arbeiten mit einem schlechten Arbeiten gleich bewerten, verursachen lediglich Stockung, Auswande-rung von Fachkräften, Kapitalflucht und Nutzlosigkeit.

Unserer Ansicht nach muss Sozialgerechtigkeit und Produktion von Kapital sich zur ökonomischen Entwicklung und zur Kreation parallel zueinander entwickeln und keine von ihnen vorgezogen werden. Wir folgen diesen Strategien:

1) Jedem muss die Möglichkeit und die Gelegenheit gegeben werden, um sich je nach seiner Begabung und Zielsetzung zu entwickeln. Die Möglichkeiten und Gelegen-heiten sollen gleich verteilt sein. Lehre und Ausbildung für alle Bürger soll ihnen entsprechend ihren Fähigkeiten Entwicklung und Karriere ermöglichen. Ausbildung und technisches Training entsprechend dem Niveau und der intellektuellen Kapazi-tät jedes einzelnen Bürgers soll angeboten werden. Ein Rechtsschutz für Angestellte und Arbeitgeber, Verbraucher und Produzenten ist notwendig. Das Feld zu produk-tiven Tätigkeiten soll jedem ohne unnötige bürokratische Regelungen des Steuersys-tems, welche Kreationen nur entmutigen können, offen bleiben. Die Regierung soll-te sich für das Wohl von allen und besonders von Bedürftigen und Ärmeren interes-sieren.

2) Eine Kranken- und Rentenversicherung für jeden Bürger sowie die Arbeitslosenhilfe müssen durch die Anteilnahme der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und mit der Hilfe des Staates errichtet werden. Die Unternehmer sind in der Entscheidung zur Einstel-lung, Dauer des Arbeitsvertrags und Arbeitsstunden gewissermaßen frei. Das Mini-mum an Lohn und das Maximum an Arbeitsstunden werden durch das Gesetz gere-gelt. Die Arbeitnehmer, die ihre Arbeit aus wirtschaftlichen Gründen oder aus ir-gendeinem anderen Grund verlieren, müssen durch Gesellschaften und Instituten unter der Aufsicht der Regierung und des Arbeitsamts zur Ausbildung und Schulung zugelassen werden. Solange sie keine Arbeit finden, müssen sie ihren Unterhalt aus dem Arbeitslosigkeitsgeld beziehen dürfen. Wenn Arbeitslose die Teilnahme an Wohlfahrtsprogrammen oder die ihnen nach ihren Qualifikationen angebotenen Stellen ablehnen, dürfen die Arbeitslosen- und Sozialhilfe gekürzt werden. Unser Ziel ist, die Unternehmen die Einstellung von neuen Fach- und Arbeitskräften zu ermöglichen. Die heutige Technologie hat auch die Arbeitslage verändert: manche haben eine Voll- und mach andere eine Teilzeitstelle. Manche arbeiten sogar von zu Hause aus. Wir wollen nicht, dass die staatliche Hilfe missbraucht wird, so dass nur eine kleine Schicht der Gesellschaft davon profitiert.

3) Eine Krankenversicherung für alle im Iran lebenden Menschen halten wir für not-wendig. Dafür sind die privaten Krankenkassen zuständig, die ihre Leistungen durch gesetzliche Verträge festlegen müssen. Ein Teil der Krankenkassenbeiträgen von Wenigverdienenden wird von der Regierung übernommen. Dir Rolle des Gesund-heitsamts besteht in der Aufsicht über Krankenkassen und ärztliche Institutionen sowie im Schutz der Rechte aller Patienten und nicht in der Gründung und Durch-führung von Krankenkassen.

Fünftes Kapitel

Politische und strategische Maßnahmen

Die Islamische Republik definiert sich in Anbetracht ihrer archaischen Weltanschauung, die sich in Kreisen der Klerikern und Mullahs gebildet hatte, und ihrer undemokrati-schen Verfassung, die zugleich als Garantie für Ausübung despotischer und korrupter Politik gilt, als Hindernis gegen jede Entwicklung auf der nationalen und internationa-len Ebene. Sie stellt sich gegen jedes politische Programm, das Irans Entwicklung und Aufstieg im Sinne hat. Jede oppositionelle Partei, deren Werte und Ziele über das Ei-genwohl und persönlichen Profit hinausgehen, fühlt sich zur Bekämpfung eines solchen dogmatisch, mittelalterlich und ideologisch geprägten Systems verpflichtet. Eine solche Partei setzt ihre Priorität bei dem Entscheidungsrecht jedes Einzelnen, der sein eigenes Schicksal in die Hand nehmen möchte. An diesem Prozess werden wir ebenfalls teil-nehmen. Damit wollen wir aber nicht den Eindruck erwecken, als wollten wir das Ver-gangene wieder in den Fluss bringen und zur Vergangenheit zurückzukehren. Da sich unsere Politik gegen die Islamische Republik - und somit natürlich gegen Despotismus, Diktatur und kulturelle Stagnation, die alle zusammen Irans Rückstand verursachen - richtet, betrachten wir uns im Wesentlichen als Nachfolger jener Konstitutionalisten, welche ebenfalls die Freiheit Irans im Sinne hatten. Dies bedeutet, dass die Werte, wel-che wir heute vertreten, immer noch jene sind, für welche die Menschen bereits vor fast hundert Jahren gekämpft haben. Nach einem Jahrhundert sind wir zum Glück nicht auf jenem Stand wie vor einem Jahrhundert. Durch neue Erfahrungen und Einsichten versu-chen wir heute, unser politisches Vorgehen, das durch unsere Ziele bestimmt wird, mo-derner, zeitgemäßer und fortschrittlicher zu gestalten. Da es ein ebenbürtiges Verhältnis zwischen Ziel und Mittel besteht, und da Menschen durch ihre Handlungen und Leis-tungen gebildet werden (was sie tun und wie sie es tun), werden alle despotischen, dik-tatorischen und undemokratischen Ideologien und Konzepte, die letztlich eine kulturelle Stagnation zur Folge haben, bei uns auf Widerstand stoßen. Denn wir betrachten einen Aufstieg in der Entfaltung jedes Menschen. Demnach werden zwei Methoden, die in der Vergangenheit (vor allem in den ersten 15 Jahren der Islamischen Republik) praktiziert wurden, von uns von vorneherein abgelehnt:

1) Die Verwendung und Instrumentalisierung von religiösen Glauben und Symbo-len

2) Die Durchführung von politischen Konzepten mittels Waffengewalt

Es sind nicht allein politische Programme und theoretische Erklärungen, die das Wesen einer politischen Partei bestimmen und definieren, sondern das Verhalten in der Praxis formt politische Parteien, prägt ihre Natur und letztlich repräsentiert sie. Manche behal-ten die Loyalität in ihren Werten und ihrem Glauben zwar bei, in ihrer Handlung aber stoßen sie auf Widersprüche und Vorstellungskonflikte sowie auf Hinterlistigkeit. Dies lässt schließlich nichts an ursprünglichen Wertvorstellungen zurück und stellt zugleich das Wesen der Partei in Frage. Wir kennen keine Politik, die durch Waffengewalt und heftige Kämpfe, die die Rechte oder die Ideologie einer einzigen Gruppe verteidigen sollen, zu einer demokratischen Ordnung und zum Pluralismus geführt hat. Die politi-sche Erfahrung verschiedener Länder zeigt uns, dass die Art und Weise des Vorgehens zur Durchsetzung eines politischen Programms in unmittelbarem Bezug zum Erzielen von politischen Maßnahmen mit deren Ergebnissen steht. Das Ziel rechtfertigt nicht das Mittel, sondern wird durch das Mitte eingefärbt.

Wenn eine politische Organisation sich zum Ziel setzt, Demokratie und Pluralismus im Iran zu errichten, geht sie nicht mit Gewalt und Aggression gegen ihre Gegner vor. Jede hat das Recht, sich gegen Gewalt und Aggression zu verteidigen. Wir dürfen doch nicht einfach Gewalt und undemokratische Methoden verwenden und uns dann mit dem Ar-gument rechtfertigen, es seien zu irgendeinem anderen Zeitpunkt auch manche Ziele mit Gewalt erreicht worden. Eine funktionierende politische Strategie in der Zivilgesell-schaft fordert keine faschistischen und islamischen Methode der Hizbollah. Im Übri-gen, wenn es welche gibt, die mit den islamischen Parolen und dem Märtyrertum von Karbela gegen die Mullahs vorgehen, glauben entweder wirklich an solchen Vorstel-lungen zwecks Staatsführung oder wollen den Islam in ihrem eigenen Sinne und Inte-resse verteidigen. Oder sie wollen die Menschen dadurch auch täuschen bzw. betrügen. Die beiden letzteren Merkmale weisen keinen Unterschied zur jetzigen islamischen Re-gierung auf. Solche Methoden sollte man auf jeden Fall vermeiden, denn sie vertreten letztlich die Interessen der islamischen Regierung. Die Islamische Republik sagt zumin-dest direkt, was sie will und was sie vorhat. Mit den anderen islamisch gerichteten Gruppen aber muss man sehr vorsichtig sein, denn sie denken anders als sie handeln.

Unsere Strategie zum Sturz der Islamischen Republik stützt sich auf die Kraft und den Willen des Volks, d. h. die Erfüllung der Wünschen und die Unterstützung der irani-schen Nation bilden die Grundlage unseres politischen Programms, das nur erzielt wer-den kann, wenn es zum Wohle der Nation dient. Wir werden kaum etwas anderes nöti-ger haben als das Vertrauen des Volkes, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen. Dieses Vertrauen kann nur durch moralische und politische Ansätze zustande kommen. Ehr-lichkeit und Wahrheitstreue einerseits, Überzeugung des Volkes, Rücksichtnahme auf dessen Interessen und korrektes Handeln andererseits stehen bei uns im Vordergrund. Manchmal entstehen Situationen, in denen eine große Zahl der Menschen in einer be-stimmten Angelegenheit den falschen Weg einschlägt. In einem solchen Fall sollte die Partei, die im Interesse des Volkes handelt, umso stärker auf ihrer Loyalität, Wahrheits- und Gesetzestreue beharren, wenn sie die Überzeugung und das Vertrauen des Volkes erreichen will. Wir müssen auch den Mut haben, uns gegen die "modischen" und über-flüssigen Phänomene zu stellen. Vor allem in den Momenten wie heute, wo die Ge-samtheit des Volkes sein Schicksal bestimmen will, muss auch dafür gesorgt werden, dass die Wahrheit nicht verborgen bleibt. Nur so kann das Volk motiviert werden.

Das politische Programm und die Ideen einer Partei muss die besten und praktischsten Antworten auf die Probleme der Gesellschaft anbieten können. Die Zeiten, wo falsche Versprechungen, Wiederholungen von klischeehaften Denkweisen und Erregung von Emotionen auf dem politischen Wege nützlich waren, sind nun vorüber. Heute ist das iranische Volk erfahrener als je zuvor und weiß, zwischen wahrhaften Handeln und In-trige zu unterscheiden.

Wir versuchen, in unseren politischen Programmen, Gesprächen und in unserer Strate-gie mit voller Verantwortung zu handeln. Die Übernahme der Verantwortung gegenüber der Nation erfordert tiefgreifende Überlegungen über Ideen und Konzepte sowie zeit-gemäße Reaktionen auf die Weltpolitik. Wir versuchen, ein harmonisch zusammenhän-gendes Ganzes zu schaffen. Aus diesem Grund werden wir uns nicht an den anderen Partei messen. Wir wollen nicht immer wieder Versprechungen machen, die niemand wirklich halten kann. Die größte Versprechung aller Zeiten hat Khomeini gemacht, als er behauptete, er werde dafür sorgen, dass jeder Einzelne seinen Anteil aus dem Ölex-port monatlich erhält! Eine absurde Versrechung!

Wir sprechen im voraus zur iranischen Nation: Um politische und soziale Ziele zu errei-chen, müssen wir uns alle dafür einsetzen, ohne persönliche Erwartungen zu haben. Es ist eine große Menge an Selbstaufgabe nötig. Letztendlich steht infolge der Zerstörun-gen der Islamischen Republik der Wiederaufbau Irans im Vordergrund, worauf wir ei-nen großen wert legen. Um den Wiederaufbau zu ermöglichen, muss jeder mehr tun, als er zurück bekommt. Jeder von uns muss hart arbeiten und darf keine falschen Erwartun-gen haben.

Die politische Strategie auf der nationalen Ebene bedarf zunächst der Einheit derselben Nation, die inländische und ausländische Entwicklungen im Blick haben soll. Die grundlegenden Gedanken für ein solches Vorhaben sind: Der Glaube an die Zukunft eines demokratischen Staats im Iran, die Durchsetzung von Programmen, die sich gegen die Islamische Republik richten und sie in ihrem Wesen schwächt, und die Absage an jedem korrupten und despotischen Staatssystem.

Die heutige iranische Gesellschaft hat sich im Laufe der vergangenen 24 Jahren enorm entwickelt. Die sozialen und politischen Bildungsmethoden haben heute auf dem Wege ihrer Entwicklung die sozialen und historischen Schwächen und Fehler der Gesellschaft festgestellt, so dass es an der Zeit ist, Schwächen und Fehler zu korrigieren. Das einzig wichtigste ist unserer Ansicht nach dar Sturz des Mullah-Regimes durch das iranische Volk.

Folgende Strategien werden empfohlen:

1) Die Allgemeinheit muss von Schwächen, Erfolglosigkeiten und Korruptionen des Mullah-Regimes, vor allem von Missachtung der Menschenrechte und Unterstüt-zung des Terrorismus unterrichtet werden.

2) Sie muss auch über die Leistungen der Oppositionellen informiert werden, die sich für Freiheit und Aufstieg Irans einsetzen.

3) Der Einsatz von Iranern, die innerhalb des Landes für ihre Rechte kämpfen, muss von Intellektuellen unterstützt und geleitet werden. Zur Zeit ist die Einheit der irani-schen Nation durch folgende Faktoren gestört: a) Widersprüche, die unter den Herr-schern selbst verbreitet sind. b) Herrschaft von politisch Korrupten Gruppen. c) Po-litische Ideen und Bewegungen, die sowohl im Regime selbst als auch in der Gesell-schaft mehr zerstreut sind als einheitlich.

4) Die Zusammenarbeit von unterschiedlichen Gruppen und Organisationen von An-dersdenkenden zur Verteidigung der Menschenrechte und zur Errichtung eines de-mokratischen Staates in einem unabhängigen und einheitlich regierten Land.

5) Meinungsaustausch und Dialog mit den binnenländischen Gruppen und Organisati-onen, die für Freiheit der iranischen Nation und Aufstieg Irans kämpfen. Dadurch sollte ihre Arbeit durch uns mit unseren Möglichkeiten im Ausland theoretisch und praktisch unterstützt werden.

Wir befürworten jede Bewegung in der Islamischen Regierung, die im Sinne des All-gemeinwohls der Nation oder zumindest im Sinne des einen Teils davon ist. Wenn wir die unterschiedlichen Gruppen in der Islamischen Regierung aus politischer Sicht be-trachten, können wir dann zwischen ihnen die folgende Unterscheidung treffen: das politische Programm der korrupten Führer der Islamischen Republik - der Hisbollah - gleich wie sie durchgeführt werden, werden dem Volk und dem Land Schaden zufügen. Aber ein Teil der Ideen und Programme der sogenannten "Reformisten" können von Nutzen sein. Dennoch gibt es eine grundlegende Unterscheidung zwischen den gegen die Islamische Republik gerichteten Bewegungen innerhalb und außerhalb des Landes. Wir im Ausland sind nicht gezwungen die Spielregeln der Islamischen Republik zu be-folgen. So sind wir in der Lage, der Welt das mitzuteilen, was die Menschen im Iran wirklich sagen wollen, aber nicht sagen können. Wir dürfen uns aber keineswegs in die politischen Angelegenheiten der Islamischen Republik einmischen; auch dürfen wir uns nicht in den Streit zwischen Reformisten und Konservativen einmischen. Denn so wür-den wir unsere Glaubwürdigkeit und das Vertrauen verlieren.

Der Kampf für Sekularismus hat heute den Punkt erreicht, wo man von einer dritter Kraft sprechen kann, die sich von beiden Seiten - von der Idee einer Reform und von den Konservativen - distanziert. Die Zukunft der Demokratie im Iran hängt eben von dieser dritten Kraft ab. Obwohl jeder Oppositionelle gerne in den Iran zurückgehen und sich dort für seine Ideen einsetzen möchte, werden wir aber nur dann zurückgehen, wenn erst die Bedingungen, für welche auch wir uns einsetzen, geschaffen sind. Das bedeutet, dass die gewalttätigen und diktatorischen Organisationen, die jede oppositio-nelle Bewegung im Keim ersticken lassen, im Iran nicht mehr existieren, so dass die Menschen ihre Freiheit und Rechte verteidigen können. Nur so können wir zusammen mit anderen politischen Ideen und unsere Werte repräsentieren und mit anderen Parteien ins Gespräch treten.

Wir sind darum bemüht, dass der Sturz der Islamischen Republik ohne Anwendung von Gewalt und ohne Anarchie in einem einheitlichen Prozess geschieht. Dennoch werden unsere Gegner nicht immer auf die Anwendung von Gewalt verzichten können. Der Hisbollah versucht, mit allen Mitteln seine Machtposition und Herrschaft zu verteidi-gen, auch wenn dieser Versuch die Wut und den Zorn der Allgemeinheit immer mehr anregt, so dass niemand mehr diesen Druck aushalten kann. Wir werden ohne jegliche Anwendung von Gewalt die Rechte der Menschen vor den Angriffen der Hisbollah mit voller Kraft beschützen.

Sechstes Kapitel

Eine unterschiedliche Anschauung

Das politische Programm in seiner Ganzheit und Gesetzmäßigkeit wird ohne dynami-sche, kulturelle und weltanschauliche Entwicklungen und Fortschritte wohl kaum nut-zen. Iran ist ein Land in der Dritten Welt, im Mittleren Osten und lebt innerhalb der islamischen Welt. Welt. Die genannten Merkmale, die zur Zeit prägende und bestim-mende Prädikate für unsere Heimat sind, stellen für uns den Rahmen einer kritischen Politik am folgenden Ansatz dar: wir denken immer noch im Geist der Dritten Welt, und messen uns an deren Werten. Wir haben sogar geduldet, dass man uns mit einem weiteren Prädikat prägt, nämlich islamisch. So bleibt auch der Weg in die Zukunft ge-sperrt. Solange wir erlauben, dass unser Denken und Handeln von solchen Prädikaten begleitet werden, werden wir uns sicherlich nicht entwickeln können. Wir werden die geographischen Grenzen nicht ändern können; aber wir müssen die Grenzen unseres Denkens verschieben oder sogar aufheben. Wir müssen uns aus dem Denken eines Menschen der Dritten Welt hinaushelfen.

Der Begriff der Dritten Welt ist mit Stagnation assoziiert. Die Menschen der Dritten Welt sind den zurückgebliebenen Reisenden ähnlich, die einer Karawane nur hinterher laufen, ohne sie jemals zu erreichen. Sie gehören den Gesellschaften an, die äußerlich modern scheinen, innerlich jedoch den Geist der Modernität nicht begriffen haben. Ge-walt ist in solchen Gesellschaften das maßgebende Kriterium: Gewalt des Mannes der Frau gegenüber, Gewalt des Herrschers dem Volk gegenüber. Der Mensch der Dritten Welt ist ein Opfer der Unterdrückung. Diese Unterdrücktheit ist auf die Konfrontation mit westlichen Werten zurückzuführen, denn es war der Westen, der ihn auf diese Un-terdrücktheit aufmerksam gemacht hat. Erst durch die Polarisierung der Werte konnte er seine Unterdrücktheit entdecken. Diese Entdeckung nutzte er aber nicht zu seiner Ent-wicklung. Obwohl er sich der westlichen Werte bedient, übt er dennoch immer wieder seine Kritik an dieser. Ein Spiel, der sich im Kreise dreht.

Die islamische Welt hat eine sehr beschränkte Vorstellung von dem Individuum und dessen Freiheit und Verantwortung. Sie definiert sich als islamische Gesellschaft und nicht als Gesellschaft mit einer islamischen Mehrheit. In der Gesellschaft eines Gottes-staats leben die Moslime in einem bürgerlich beschränkten Raum, der sich Werte der Vernunft und des Verstandes entbehrt. Die Vernunft ist hier machtlos. Den Menschen wird in einem solchen beschränkten Raum ein Leben nach dem Tod versprochen. So hat der Mensch ein bereits vorgeschriebenes Schicksal und ist darum bemüht, sein Leben möglichst so zu gestalten, dass er nach dem Tod in das versprochene Paradies kommt. So bietet sich auch für jeden gesellschaftlichen Untergang eine utopische Welt der Zu-kunft als die einzige Lösung an: aus einem sozialen Tiefgang in der Hoffnung hinaus-zukommen, dass man im nächsten Leben selig wird.

Die islamischen Gesellschaften in der Dritten Welt sind ihren Wertvorstellungen, die jedweder Entwicklung den Weg versperren, bislang treu geblieben. Auch in ihrer Auf-fassung von den Menschenrechten sind utopische Vorstellungen der Scharia überlegen. Auf solch einer Basis wird eine Gesellschaft den Weg des Modernisierungsprozesses nie einschlagen können. Die seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts unternommenen Versuche, eine Harmonie zwischen der islamischen Welt und der Modernität zu ver-schaffen, haben fehlgeschlagen. Denn ein vernünftiges und programmatisches Konzept und eine Theorie für eine islamische Modernität existiert nicht. Der Anspruch, Islam und Modernität in einem Atemzug zu nennen, leitet sich aus dem unerfüllbaren Wunsch derjenigen, die aus dieser kulturellen Sackgasse nicht herauszukommen wagen.

Der Mittlere Osten impliziert mehr als eine bloß geographische Dimension - selbst diese lässt sich schwer festlegen. Der Mittlere Osten und die Dritte Welt sind Begriffe, die sich in das Bewusstsein der Menschen fest geschrieben haben. Die Dritte Welt wird von zwei Prädikaten besonders begleitet: Arab und Moslem. Aber der zum Mittleren Osten Angehörende, selbst wenn er kein Arab und Moslem ist, bedient sich in seinem politi-schen Kultur eines antiwestlichen und vor allem antiamerikanischen Gedankenguts. Eines hat er in seiner Geschichte, die genauso wie seine Weltanschauung nur subjektiv geprägt ist, gelernt, nämlich die Feindschaft gegenüber dem Westen. Das beredte Bei-spiel ist die wohl die älteste Feindschaft zwischen Palästinensern und Israelis, die in ihrer Entwicklung zu einer antiisraelischen und antijüdischen Einstellung geführt hat.

In solchen Grenzen leben auch wir; und wir sind wie alle anderen am Ende dieser Ent-wicklung. Die Dritte Welt, die sich am besten in Schwarz-Afrika definieren lässt, erlebt eine der kritischsten Momente seiner Geschichte. In einer solchen Sackgasse befindet sich auch die islamische Welt, verkörpert durch Geistlichkeit (geistige Führer), die Ta-liban und Bin Laden. Hier hat Konservatismus, Palästina-Obsession und der Islam selbst als kulturelle Identität, die zugleich mehrere Völker und Völkergruppen mitein-ander verbindet, zum islamischen Fundamentalismus geführt.

Iran sucht nach einem Ausweg aus der Dritten Welt und aus derer Weltanschauung. Die iranische Gesellschaft hat bereits den Punkt erreicht, an dem sie ihr nationales und kul-turelles Verantwortungsbewusstsein unter Beweis stellen muss. Sie hat begriffen, Ge-walt und Aggressivität aus ihrem Leben abzuschaffen, und will dem Islam den Weg in das politische Geschehen und in die gesellschaftliche Ordnung sperren. So will sie sich aus der Dritten Welt herausretten. Das Beispiel der Türkei mit einer deutlich religiöserer Bevölkerung hat uns gezeigt, dass ein Land mit traditionell orientierten kulturellen Zü-gen sich dennoch durchaus entwickeln und sich am weltpolitischen Geschehen beteili-gen kann. Dass die Dritte Welt sich von ihrer konservativen Welt- und Lebensauffas-sung nicht trennen will und mehr an Stagnation festhält als Expansion, dürfte uns an unserem Vorhaben nicht hindern. Die islamische Welt betrachtet den Islam als ihre I-dentität und als Ersatz für ihre politischen Strategien. Dies führt auf der Basis der Welt-geschichte immer mehr zu einem kulturellen Stilstand, der auch für die Dritte Welt cha-rakteristisch ist. Dass sie Amerika und Israel die Schuld an diesem kulturellen Stilstand gibt, wird wohl kaum zum kulturellen Aufstieg helfen können.

Von diesem konservativen und islamischen Gang der Geschichte wird sich der Iran stark distanzieren müssen. Wir werden die Werte der Dritten Welt nicht mehr als Maß-stab zur Entwicklung akzeptieren. In unserer Auffassung bestimmt weder der Islam un-sere national noch die Dritte Welt unsere politische Kultur. Die iranische Geschichte und die iranische Sprache bestimmen auch die iranische Kultur und Identität. Daran werden weder die Palästina-Frage noch andere politische Probleme etwas ändern kön-nen. Die iranische Nation kann sich eine glänzende Zukunft leisten, wenn sie folgende Aspekte als notwendige Prämissen akzeptiert. Sie muss sich kulturell und politisch be-freien von der Dritten Welt, vom Mittleren Osten und vom Islam als maßgebenden Kri-terium für die Lebensart und Weltanschauung. Denn der Islam hat nie unsere Weltauf-fassung geprägt, wie in den arabischen Ländern. Die genannten Prämissen sind drei große Schritte, die der iranischen Gesellschaft den Weg zur Entwicklung bahnen kön-nen.

Unsere Geschichte hat gezeigt, dass auch wir in der Lage sein können, mit den Ländern der Ersten Welt zu konkurrieren. Wir betrachten den Islam zwar als die Religion mit der größten Anhängerzahl im Iran, vergessen aber nicht, wie der Islam im Iran Fuß gefasst hat. Er ist die Religion der Mehrheit aber nicht die Identität der iranischen Nation. Ein Vergleich mit dem islamischen Arabien darf in dem Sinne nicht falsch interpretiert wer-den, als wollten wir uns über alle anderen Nationen stellen. Die kulturelle Auseinander-setzung mit dem Islam ist ein historisches Problem mit einer 1400jährigen Dimension, die in der iranischen Geschichte immer wieder für Turbulenzen gesorgt hat. Auch diese 1400 Jahre konnten bis heute die kulturellen Unterschiede zwischen der iranischen Ge-sellschaft und den Gesellschaften, die den Islam als ihre Identität betrachten, nicht be-seitigen. Deshalb halten wir die zukünftige Entwicklung Irans nur dann für möglich, wenn sie im Rahmen eines säkularen Konzepts geschieht, das sich aus der Weltan-schauung der Dritten Welt freispricht.

Der Grundstein für die Entwicklungen Irans in der Zukunft muss schon heute gelegt werden. Auf diesem Weg werden wir uns auch vor den kulturellen Auseinandersetzun-gen, auf welche wir als politische Partei den größten Wert legen, nicht drücken. Unsere Legitimität wird durch die iranische Nation bestimmt, die sich heute ihrer Rolle im poli-tischen Geschehen stärker als je zuvor bewusst ist. Ohne Gewalt, ohne Aggression, nur durch Freiheit und Demokratie werden wir zusammen mit der iranischen Gesellschaft den Weg in die Zukunft einschlagen.

Siebtes Kapitel

Partei der Mitte rechts

Die Konstitutionelle Partei Irans unterscheidet sich von allen anderen Oppositionen im Ausland dadurch, dass sie im Exil gegründet worden ist und ihre Arbeit von einem Nullpunkt begonnen hat. Die anderen Oppositionsgruppen sind entweder schon im Iran gegründet worden und dann ins Ausland gekommen, oder sie sind abgespaltene Grup-pen von den Organisationen, die bereits im Iran existiert haben. Die CPI ist eine Partei, die sich von unterschiedlichen Schichten der Exiliraner zusammensetzt hat. Dies Eigen-schaft ermöglicht ihr ein weitreichendes Handlungsnetz, das sie von allen anderen Op-positionellen eindeutig abhebt. Die andere Eigenschaft der CPI ist ihre Gesamttranspa-rent. Die Name aller Verantwortlichen, die internen Debatten und die unterschiedlichen Auffassungen sind allen Menschen zugänglich, genauso wie die Versammlungen. Die Parteiorganisation ist in der Übereinstimmung mit ihren Grundregeln demokratisch und ihre Leitung nicht auf bestimmte Personen eingeschränkt. Ihre Mitglieder kommen in jeder Stadt in den Parteiniederlassungen, in Sektionen oder Zellen zusammen. Die Zelle ist die kleinste Einheit der Partei. Sie ist inoffiziell. Sie können sich der nächsten Sekti-on (offizielle Niederlassung) der Partei anschießen und offiziell arbeiten. Die Leitung jeder Sektion liegt im Verantwortungsbereich eines Rates, der jährlich von den Mitglie-dern der Sektion gewählt wird. Der Sektionsrat ist verantwortlich für die Angelegenhei-ten der Sektion und hat beträchtliche Handlungsfreiheit im Rahmen der Satzung der Partei. Grundsätzlich werden parteiische Angelegenheiten im Wesentlichen in den Rä-ten besprochen und entschieden. Die Sektionen werden auch angeregt, mit anderen poli-tischen Tendenzen zusammenzuarbeiten. Die Ratsmitglieder sind verpflichtet, alle zwei Jahre im Parteikongress die Mitglieder des Zentralrats - fünf Personen - zu wählen. Der Zentralrat ist die Führungskraft der Partei. Der Kongress ist die oberste Organisation der Partei, die berechtigt ist, politische Linien festzulegen und Änderung in der Satzung vorzunehmen.

Mindestens einmal im Jahr findet eine Parteikonferenz in den Vereinigten Staaten von Amerika oder in Europa statt. Die Konferenzen ermöglichen einen Dialog und Mei-nungsaustausch über organisatorische sowie ideologische Angelegenheiten der Partei und der Weltpolitik.

Die konstitutionelle Tradition im Iran hatte nie die Möglichkeit, ihre Ideen durch eine selbständige Partei konkret zu gestalten. Die Beteiligten an der konstitutio-nellen Bewegung konnten nur kleine Gruppen bilden und überlebten nicht lange. Ungünstige Umstände und der Erfahrungsmangel der Pahlavi Monarchie ließ keine unabhängige Mitte der Politik zu. Sie betrachtete die Parteien entweder als Feind oder als Störungsfaktor. Parteien fungierten in jener Zeit nur als Vorwand zu kontrollierten Wahlen. Sogar erlosch die von Mohammad Reza Schah selbst gegründete konstitutionelle Partei (im begrenzteren und undemokratischen Kon-text jener Tage); weil sie immer mehr um die unmittelbare Teilnahme des Volkes im politischen Geschehen bemüht war, verlor sie ziemlich rasch das populäre Interesse. In einem Regime, das die Erbschaft der konstitutionellen Bewegung eintrat, gab es für eine konstitutionelle Beteiligung keinen Platz.. Sogar diejeni-gen, die mit der Berufung auf das Konzept der Konstitutionalisten gegen das Re-gime vorgingen, vertraten nicht im geringsten die konstitutionellen Ideen. (Diese ironischen Dichotomie erleben wir noch heute in der Exilpolitik. Auf der einen Seite wird die Monarchie wegen ihrer Abweichung von den konstitutionellen Grundregeln und Vernachlässigung der Konstitution bis hin zu ihrer Auslöschung verurteilt und auf der anderen Seite durch die Behauptung über die Vernachlässi-gung eines konstitutionellen Staatsmonopols und der konstitutionellen Grundwer-ten kritisiert. Dies war der Fall während der Monarchie.)

Die Konstitutionelle Partei Irans versucht, die konstitutionelle Idee in ihrer politi-schen Gesamtform, die im Rahmen eines Mitte-Rehcts-Programms definierbar ist, im Iran abermals zu beleben. Ein solches Programm hat sich zu Ziel gesetzt, die große Kluft in der iranischen Politik zu überwinden und die Lücken zu füllen. Sie ist eine Partei, die sich aufgrund ihrer Werte als direkte Nachfolger einer Be-wegung betrachtet, die die Kraft für Änderung in der iranischen Gesellschaft ge-wesen ist. Wir im Anschluss an unsere politischen Vorfahren haben immer fol-gende Grundlinien vor Augen:

1. Die Verteidigung unseres Vaterlands in seinem Ganzen.

2. Das Schicksal des Landes liegt nach unserer Auffassung in den Händen der Bevölkerung dieses Landes, die unter der Berücksichtigung der pro-vinziellen und geographischen Anordnung und unter dem System der kon-stitutionellen Monarchie die Autonomie des Landes bewahren soll.

3. Die Trennung von Religion und Politik.

Wir wollen mit der modernen Welt in Entwicklung, Wohlstand, Technologie und sozialer Gerechtigkeit, die auch im Sinne unserer politischen Vorfahren waren, Schritt halten. Der Blick nach Westen und die Erfahrung der westlichen Werte in Denken, Leben und Zivilisation, die das Verhältnis zwischen der Regierenden und Regierten geregelt haben, sollen uns als Vorbild dienen, heutige Werte wie zum Beispiel Beziehungen zwischen Mann und Frau oder Arbeitgeber und Ar-beitnehmer zu verstehen, zu definieren und zu regeln.

Wir haben im 21. Jahrhundert die konstitutionellen Werte und Grundlagen, so-weit wie es nur möglich ist, zeitgemäß entwickelt. Das Parteiprogramm charakte-risiert sich durch folgende Werte: die nationale Einheit Irans, die Rolle des Staats als Vertreter der Nation in der Regelung der wirtschaftlichen und gesellschaftli-chen Angelegenheiten, Relation zwischen sozialen und wirtschaftlichen Gerech-tigkeit. Diesen Wertschätzungen zur Folge charakterisiert sich die CPI als eine Mitte-Rechts-Partei. In dieser Hinsicht kann unser Programm mit den unter-schiedlichen Linksparteien wichtige Unterschiede aufweisen. Die Unterschiede mit den Rechtsradikalen, mit Befürwortern der despotischen Monarchie, mit den Ariaisten, Islamisten sowie mit den Linksradikalen wie Leninisten, Anarchisten und allen andern, die eine Zerlegung Irans fordern, sind so deutlich, dass man sie nicht anzusprechen braucht.

Wir erheben keinen Anspruch auf die Vollständigkeit unseres Konzepts. Mit Inte-resse verfolgen wir Erfahrungen und Debatten anderer Entwicklungsländer auf der wirtschaftlichen und sozialen Politikebene. Wir sind noch davon entfernt, unsere Rolle als eine Staatsmacht zu verstehen. Aber wir denken, überall da, wo sich der Privatbereich und das private Interesse sowie die private Verantwortung zurückhält, beginnt die Verantwortung der Regierung. Das Maßstab ist das Wohl der Allgemeinheit. Die Erfahrung des amerikanischen Musters, das dem privaten Interesse beste Gelegenheiten ermöglicht und bis heute die produktivste Gesell-schaft und Wirtschaft in der Geschichte schaffen konnte, zeigt aber auch, dass der Privatbereich mal übertreibt und mal untertreibt. Auf der europäischen Seite erle-ben wir immer wieder die Ausnützung von nationalen Investitionen und Arbeits-losen- und Sozialhilfe, die ein Hindernis an produktiven Kräften stellen. Kompli-zierte Arbeitsmöglichkeiten verringern die produktive Arbeitsweise und erhöhen zugleich die Arbeitslosigkeit. Das Steuersystem mit fast unbezahlbaren Steuersät-zen treiben die Menschen aus dem Land hinaus. Mit ihnen gehen auch ihre Ideen und ihre Arbeitskraft verloren.

Zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Muster besteht die Wahl. Heute sind beide Seiten darum bemüht ihre Politik im Vergleich zu den letzten sieben Jahrzehnten zu mildern. Das amerikanische Beispiel ist die Politik der Demokraten mit New Deals Vorstellung von New Society und das westeuropäi-sche Beispiel ist die Politik der Sozialdemokraten, die sich seit dem zwei Jahr-zehnten nach rechts ausdehnt. Diese Beispiele legen ein beredtes Zeugnis für das kontinuierliche Bemühen um die Vereinigung der beiden Pole - die Durchsetzung des Privatinteresses und die der sozialen Verantwortung - zu vereinigen.

Basierend auf unserem Konzept zwischen zwei Welten haben wir eine Partei für heute und Zukunft Irans gegründet.



Daryoush Homayoun

 
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Welcome to The Constitutionalist Party of Iran (CPI)
 
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